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Ihr Kinderlein kommet...

...aber zu wem? Bremen will seine Kindergärten „verselbständigen“. Während die Senatorin einen Eigenbetrieb bevorzugt, werben freie Träger wie AWO und Rotes Kreuz für Unabhängigkeit

Innovation wird eher dem privaten Sektor zugetraut als dem staatlichen

Bremen taz ■ Wenn Politik Arbeitsbereiche ausgliedert, dann heißt das in der Regel, dass sie sich selbst nicht über den Weg traut. So verhält es sich auch bei den Kindergärten. Die große Koalition will die derzeit 75 kommunalen Kindertagesstätten „verselbständigen“. Sprich: Die Kitas sollen eine eigene Geschäftsführung bekommen und von Seiten der Politik nurmehr beaufsichtigt werden. Die Hoffnung: Dass durch die transparentere Struktur die Kosten genauer ermittelt werden können als das jetzt in der Amtsstruktur möglich ist und dadurch die Kosten am Ende sinken. Im Fall der Kindergärten verspricht sich Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) zusätzlich eine stärkere „Profilbildung“. Das heißt: Innovation und Eigeninitiative werden eher dem privaten Sektor zugetraut als dem staatlichen.

Während die Ausgliederung der Kindergärten ausgemachte Sache ist, gibt es Streit um die Art des Selbstständig-Werdens. Senatorin Röpke plant einen Eigenbetrieb als gemeinsames Dach für die kommunalen Kindergärten. Gleichzeitig haben sich nun die freien Träger der Wohlfahrtspflege, darunter das Rote Kreuz und die Arbeiterwohlfahrt mit einem eigenen Konzept zu Wort gemeldet. „Wir machen der Stadt das Angebot, alle 75 Kitas zu übernehmen“, verkündete gestern der stellvertretende Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LAG), Burkhard Schiller. Schon jetzt betreibe die LAG 29 eigene Kindergärten, „mit hoher Kompetenz“, so Schiller. Wenn die Politik es mit der Selbständigkeit ernst meine, greife ein Eigenbetrieb zu kurz. „Das Betreiben von GmbHs gehört zu unserer Kernkompetenz“, wirbt Schiller. Außerdem seien die Freien Träger anders als ein staatlicher Eigenbetrieb in der Lage, Drittmittel anzuwerben. Nicht zuletzt verfüge man über einen großen Pool Ehrenamtlicher, so dass man am Ende viel günstiger wirtschaften könne. Auch bei der Qualität habe man einiges vorzuweisen. Die „Early English“-Kurse des Roten Kreuzes hätten vorweggenommen, was nach Pisa für alle verbindlich werden soll: Bildung für die Kleinsten.

Gerade deshalb reagieren SPD-Politiker reserviert. Frank Pietrzok, jugendpolitischer Sprecher der SPD: „Wir brauchen ein staatlich neutrales Angebot, gerade weil die Bedeutung der Kindergärten als Bildungseinrichtung zunimmt.“ Die politische Kontrolle sei bei einem Eigenbetrieb viel eher gewährleistet als bei einer GmbH. Ins gleiche Horn stößt auch die Senatorin. Die Kommune müsse die Grundversorgung in der Kindertagesbetreuung gewährleisten, schreibt sie in einer Stellungnahme. Viele Eltern wünschten sich einen konfessionell und weltanschaulich ungebundenen Träger.

Dem Argument der Freien Träger, sie könnten kostengünstiger arbeiten, widerspricht Piertzok ebenfalls. Bislang sei das lediglich eine Behauptung. Erst wenn die kommunalen Kindergärten in einem Eigenbetreib wirtschaften, könnten die Kosten verglichen werden. „Wenn sich herausstellt, dass die Freien billiger sind, dann sind wir natürlich in der Bredouille“, räumt er ein. Aus diesem Grund rät Karl Uwe Oppermann, der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion dazu, das Angebot der Verbände sehr genau zu prüfen: „Die wollen das preiswerter machen und wir sind bestimmt nicht in der Situation, ein solches Angebot ausschlagen zu können, nur weil es nicht in die politische Landschaft passt.“ Elke Heyduck

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