Europawahl: Parteien in den Startblöcken

Die Berliner SPD kann auf zwei Sitze im Europaparlament hoffen, die Grünen wollen den Verkehrsexperten Cramer durchbringen. Bei der PDS mag der Ehrenvorsitzende Modrow nicht mehr, bei der FDP drängeln sich sieben Bewerber

Dagmar Roth-Behrendt hat einen Job, der immer wichtiger wird. Dumm nur: Was sie macht, interessiert eine Mehrheit nicht. Roth-Behrendt ist die dienstälteste der fünf Berliner Europaabgeordneten, und bei der jüngsten Wahl 1999 mochte noch nicht mal jeder zweite Berliner überhaupt seine Stimme abgeben. Nächstes Jahr wird wieder gewählt, und SPD-Frau Roth-Behrendt, seit 1989 im Parlament, ist nicht besonders optimistisch, dass die Wahlbeteiligung wieder steigt: „Das Interesse an Europa steht im umgekehrten Verhältnis zu seiner wachsenden Bedeutung.“

Seit Sonntagabend ist sicher, dass Roth-Behrendt (50) auch im neuen Europaparlament sitzen wird. Die SPD legte bei ihrem Bochumer Bundesparteitag als erste große Partei ihre Kandidatenliste fest und setzte sie auf Platz 4, acht Plätze besser als vor fünf Jahren. Neben Roth-Behrendt könnte die Berliner SPD eine zweite Frau im EU-Parlament haben: Nicole Rosin (31) aus Steglitz-Zehlendorf. Sie steht auf Platz 37 der Liste, und 1999 gewann die SPD mit einem schwachen Ergebnis 33 Mandate. Wahlkreise gibt es bei der Wahl nicht.

Die anderen Parteien lassen sich mehr Zeit mit der Nominierung. Bei der CDU geht man davon aus, dass Ingo Schmitt (46), Kreischef in Charlottenburg-Wilmersdorf und früher Generalsekretär, Mitte Februar für eine zweite Wahlperiode nominiert wird. Anders als die anderen Parteien hat die CDU eine eigene Kandidatenliste für jedes Bundesland. Ein zweites Mandat für die vergleichsweise kleine Berliner Union gilt als illusorisch. Gerüchte, Frank Steffel, der Ex-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, könnte sich bewerben, sind derzeit nicht mehr zu hören.

Bereits Ende November entscheiden sich die Grünen, die 1999 von 12 auf 7 Mandate abrutschten. 2004 sollen es möglichst wieder 10 werden. Auf Platz 6 oder 8 der Bewerberliste will Michael Cramer (54) stehen, seit 14 Jahren Berliner Landesparlamentarier. „Rückmeldungen aus anderen Landesverbänden machen mich zuversichtlich, dass er einen sicheren Listenplatz bekommt“, sagt Berlins Grünen-Chef Till Heyer-Stuffer. Cramer hatte sich in einer regionalen Vorausscheidung gegen den brandenburgischen Landeschef Roland Vogt durchgesetzt. Die 1999 gewählte Abgeordnete Ilka Schröder hatte die Grünen 2001 im Streit verlassen.

Noch in der regionalen Vorausscheidung stehen die Liberalen, die derzeit nicht im Europaparlament vertreten sind. Sieben Bewerber tourten seit Wochen durch die FDP-Bezirke, um Stimmen für den Parteitag am übernächsten Samstag zu sammeln. Zu den aussichtsreichsten Bewerbern zählen der Jurist Hellmuth Königshaus, Justitiar des Landesverbands, und der Europa-Experte und frühere Pressesprecher der Berliner FDP, Rolf Steltemeier. Königshaus war bei der Bundestagswahl 2002 nur knapp gescheitert. Ob die Berliner FDP einen aussichtsreichen Kandidaten auf der Bundesliste ihrer Partei platzieren kann, entscheidet sich Mitte Januar.

Dann will sich auch die PDS festlegen. Bei ihr ist noch unklar, ob wieder ein Berliner den Platz einnehmen wird, den der Ehrenvorsitzende räumt: Hans Modrow, Ex-DDR-Ministerpräsident, 75 Jahre alt, will nicht wieder für das EU-Parlament kandidieren. Sylvia-Yvonne Kaufmann (48), die 1999 die PDS-Liste anführte, will nach Parteiangaben erneut antreten. STEFAN ALBERTI