Wahlkampffinale mit Bin Laden

Vor der Präsidentschaftswahl in den USA: Al-Qaida-Chef sendet Videobotschaft an die US-Nation. Politanalysen sehen mögliche Wahlhilfe für Bush. Aber keine erhöhte Warnung vor neuem Terror

WASHINGTON taz ■ Wenn sich Al-Qaida-Chef Ussama Bin Laden ausgerechnet hatte, mit seiner neuerlichen Videobotschaft Einfluss auf die morgigen Präsidentschaftswahlen in den USA nehmen zu können, scheint er sich getäuscht zu haben. Überwiegend gelassen reagierte die US-amerikanische Öffentlichkeit auf das Band, in dem Bin Laden eine rund 14-minütige Erklärung zu den Anschlägen des 11. September 2001 und zu seinem Kampf gegen die USA abgab. Während Politanalysen recht übereinstimmend ergaben, dass das Band, wenn überhaupt, Präsident George W. Bush helfen würde, gaben zufällig von den Medien befragte Wähler allerorts zu Protokoll, an ihrer Entscheidung werde sich nichts ändern.

In seiner Ansprache, die Bin Laden mit ruhiger Stimme diesmal von einem Pult in einem getäfelten Raum aus hielt, erklärte er, die Sicherheit der US-Amerikaner hänge allein von ihnen selbst ab: „Wer uns nicht angreift, dessen Sicherheit ist garantiert“, sagte er.

In einer Passage, die weithin als erstes offenes Bekenntnis Bin Ladens zur Urheberschaft der Anschläge vom 11. September interpretiert wurde, erklärte er, ihm sei schon 1982 der Gedanke gekommen, „Türme in den USA“ anzugreifen, „als Amerika den Israelis erlaubte, im Libanon einzumarschieren mithilfe der amerikanischen 6. Flotte. In diesen schwierigen Momenten tobten viele Dinge in mir, sie resultierten in einem starken Gefühl gegen Ungerechtigkeit und einer starken Entschlossenheit, die Ungerechten zu bestrafen.“

Das Video war zunächst im arabischen Fernsehsender al-Dschasira ausgestrahlt worden. US-Sicherheitsdienste hatten das Band vorab erhalten. Sie erklärten es für authentisch. Versteckte Hinweise auf bevorstehende Anschläge erkannten sie nicht. Die Terrorwarnstufe wurde nicht von Gelb auf Orange erhöht. BERND PICKERT

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