Unbarmherzige neue deutsche Mauer

Zwei Kenianerinnen führen im ostwestfälischen Nieheim glückliche Ehen mit deutschen Männern. Nun unterbindet die Botschaft den Besuch der Schwester aus Kenia – er stünde im Gegensatz zu deutschen Interessen, weil sie ja hierbleiben könne

von HUBERTUS GÄRTNER

Wenn Maureen Rasche in Nieheim über die Straße geht, dann drehen sich nicht nur die Männer nach ihr um. Die 33-jährige Frau aus Kenia ist in der ostwestfälischen Provinz wegen ihrer schwarzen Hautfarbe eine auffällige Erscheinung. Vorurteile oder gar Rassismus hat Maureen Rasche in Nieheim bislang aber noch nie erlebt. Nur auf die deutsche Botschaft in Nairobi ist sie nicht mehr gut zu sprechen.

„In Nieheim sind alle Menschen immer sehr freundlich zu mir“, sagt Maureen. Ihr Gatte, Michael Rasche (34), der in Warburg als Kaufmann arbeitet, kann das bestätigen. Vor elf Jahren hatte er spontan eine Urlaubsreise nach Afrika gebucht, aus Abenteuerlust. In einer Diskothek in Mombasa lernte Michael Rasche damals Maureen Ouko kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Die beiden heirateten 1994 und zogen nach Nieheim, wo Michael Rasche schon von Kindesbeinen an gewohnt hatte. „Unsere Mischehe wird von jedem hier akzeptiert“, sagt Rasche. Seine Frau Maureen hat inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Sie beherrscht die deutsche Sprache perfekt. Das Ehepaar hat zwei Kinder, Christian (7) und Katrin (4).

Im Jahr 1996 erhielt Maureen Rasche in Nieheim Besuch von ihrer Schwester Hulda (39). Auf dem Wiedersehensfest verliebte sich Hulda Ouku in einen deutschen Mann aus Nieheim. Hulda Ouku arbeitete in Nairobi als Sekretärin in einer Brauerei. Sechs Jahre lang pendelte sie anschließend zwischen Deutschland und Kenia hin und her. 2002 heiratete sie dann Hermann Hansmann (39), der in einem Nieheimer Recycling-Betrieb angestellt ist. Hulda und Hermann Hansmann wohnen nun im Nieheimer Ortsteil Holzhausen. Beide sagen, sie seien „sehr glücklich und zufrieden“. Maureen Rasche und Hulda Hansmann wollten jetzt ihre jüngste, ledige Schwester Irene (21), die in Kenia lebt und arbeitslos ist, nach Nieheim zu Besuch einladen. Doch die deutsche Botschaft in Nairobi lässt das Familientreffen nicht zu. Sie verweist auf das Ausländergesetz und verweigert unter Hinweis auf die, so wörtlich, „Verhinderung unterwünschter Einwanderung“ der jüngsten Schwester Irene ein Visum für Deutschland. Dem Interesse der Antragstellerin, ihre Verwandten in Deutschland zu besuchen stehe „die Beeinträchtigung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland gegenüber, die in der hohen Wahrscheinlichkeit liegt, dass die Antragstellerin nach Ablauf des von ihr begehrten Besuchsvisums nicht fristgerecht in ihr Heimatland zurückkehren wird“, heißt es in einem Bescheid der Deutschen Botschaft vom 8. September. Begründet wird das mit dem Familienstand sowie der derzeitigen Erwerbslosigkeit der jüngeren Schwester. Daher fehle ihr in Kenia „die Verwurzelung“. Auch eine „Verpflichtungserklärung der Einladenden zur Übernahme der während des Aufenthaltes (in Deutschland, d. Red.) anfallenden Lebenshaltungskosten“ konnte die Behörde nicht umstimmen. Sie verweist in ihrem Beschluss ferner darauf, dass „bereits die Schwester“ mit einem Besuchsvisum nach Deutschland gereist war und dort geheiratet hat.

Maureen Rasche und Hulda Hansmann sind enttäuscht, dass ihre Schwester Irene nicht zu Besuch nach Deutschland kommen darf. Die deutschen Ehemänner, Michael Rasche und Hermann Hansmann, sind empört. „Wir können es nicht verstehen“, sagen sie. Das Ganze erinnere an die DDR, wo die Mauer und ein unbarmherziges Regime einer ungehinderten Familienzusammenführung jahrzehntelang im Wege standen. Michael Rasche sagt, seine Frau und seine Schwägerinnen trügen die schwarze Hautfarbe. Deshalb dürfe aber doch niemand unterbinden, dass sie sich in Nieheim treffen oder eine Liebesbeziehung mit einem Deutschen pflegen wollen. „Wir sind verheiratet, gehen arbeiten und zahlen unsere Steuern“, sagt Michael Rasche. Seine Ehefrau Maureen berichtet, dass ihr Onkel Robert Ouku hieß und einst Außenminister von Kenia war. Er wurde 1990 von Unbekannten ermordet. Seine Leiche wurde verbrannt, weil er Korruptionsfälle publik machen wollte. Vor zwei Jahren wurde in Kenia der Präsident Daniel arap Moi nach 24 Jahren von Mwai Kibaki abgelöst. Seither sei Kenia auf dem Weg in die Demokratie, sagt Maureen Rasche. Sie dehnt das Wort. Ganz so, als sei es ihr noch etwas fremd.