Showdown vor der Leinwand

Bei der US-Wahl trennen auch in Berlin die Anhänger Welten: Die Bushies treffen sich in geschlossener Gesellschaft, die Kerry-Leute feiern öffentlich am Potsdamer Platz

Ist es ein Zeichen? Fürchten die Anhänger von George W. Bush vielleicht eine Niederlage bei der US-Präsidentschaftswahl und mögen dann nicht in breiter Öffentlichkeit stehen? Denn der deutsche Ableger von Bushs Partei, die Republicans Abroad, ist heute Abend vorrangig in geschlossener Gesellschaft zu finden: Bei nichtöffentlichen Veranstaltungen im Amerika-Haus bis 23 Uhr und später im Bertelsmann-Haus mit Aspen-Institut, RTL, n-tv und CNN. Anders die Kerry-Anhänger, die Americans Overseas for Kerry, die sich an einer öffentlichen Feier am Potsdamer Platz beteiligen.

Die ersten Wahllokale schließen an der US-Ostküste – einschließlich der wichtigsten der noch umstrittenen Staaten Florida, Ohio und Pennsylvania – um 18 Uhr, also um Mitternacht deutscher Zeit. Die letzten – auf Hawaii – machen fünf Stunden später dicht. Erste Prognosen zum Wahlsieg sind für 2 Uhr deutscher Zeit angekündigt.

Das Cinestar-Kino am Potsdamer Platz überträgt die Wahlberichte bei freiem Eintritt ab 23.30 Uhr auf Leinwände und Monitore. Auch wenn die Kerry-Fans sich eingeklinkt haben, ist es offiziell ein neutraler Event.

Klar parteiisch geht es bei ebenfalls freiem Eintritt im Tränenpalast am Reichstagsufer zu. Dorthin lädt ab 23 Uhr die Kerry-Initiative Vote44. Das Kürzel steht für das Anliegen, einen neuen Präsidenten ins Weiße Haus zu bekommen, den 44. in der US-Geschichte – Bush ist der 43. Neben den Wahlergebnissen gibt es Wim Wenders’ Film „Land of Plenty“ – Wenders selbst soll neben mehreren Sängerinnen und Bands anwesend sein.

Die Schaubühne am Lehniner Platz nähert sich der Wahl ab 22 Uhr auf praktische Weise über ihr „Kukulistisches Nachtcafé“, macht Zuschauer zu Wahlmännern und -frauen und erklärt das bizarre US-Wahlsystem. Dazu gibt es Kukuburger mit Original Heinz-Ketchup. Laut Schaubühne soll das trotz sonstiger Sympathie kein Zeichen von Parteinahme sein – Teresa Kerrys früherer Mann war der Heinz-Erbe.

Die Fassadengalerie Mount Warning in der Auguststraße 10 in Mitte bietet ab 20 Uhr das vielleicht bizarrste Wahlspektakel: eine Klanginstallation mit aktuellem Polizeifunk aus sechs US-Großstädten. Der Mudd Club in Mitte, Große Hamburger Straße 17, scheint Schlimmes zu befürchten, er rüstet ab 22 Uhr zur „Countdown to Armageddon-Election-Party“. Für fünf Euro Eintritt werden neben der Entscheidungsschlacht auch Auftritte von „Bomb Texas“ und dem „Destroy Bush DJ-Team“ geboten. STEFAN ALBERTI