Trotz Sieg bleibt Lautern nüchtern

Der 1. FC Kaiserslautern gewinnt in letzter Minute gegen die spielstärkere Arminia aus Bielefeld. FCK-Coach Kurt Jara rettet das den Kopf – allerdings nur vorübergehend. Bis auf weiteres bleibt er ein Trainer auf Abruf

KAISERSLAUTERN taz ■ Ein bisschen gewundert hat sich Uwe Rapolder schon, auch wenn er es augenzwinkernd tat. „Ich habe gedacht, es geht jetzt gleich zu den Festivitäten über“, bemerkte der Trainer der kurz zuvor recht unglücklich unterlegenen Arminia aus Bielefeld mit trockenem Humor. Doch stattdessen wurde im Bauch des Fritz-Walter-Stadions tatsächlich noch zur üblichen Pressekonferenz gebeten, was durchaus den Empfindungen der Sieger entsprach. Denn auch nach dem 2:1-Sieg gegen die spielstärkeren Ostwestfalen wollte beim 1. FC Kaiserslautern keine ausgelassene Stimmung aufkommen. Freude über die drei Punkte und die Weitergabe der „Roten Laterne“ an Hansa Rostock – ja. Aber ob dieses so dringend herbeigesehnte Erfolgserlebnis auch der Durchbruch in Richtung Tabellenmitte sein wird, muss sich in den kommenden Wochen zeigen.

Beim 1. FCK freut man sich neuerdings nur noch verhalten, zu sehr stehen Mannschaft, Trainer und Vereinsführung wegen einer verfehlten Personalpolitik und den blutleeren Darbietungen des seelenlosen Kollektivs in der Kritik. Seit Wochen versichern sich Trainer Kurt Jara („Die Mannschaft möchte mit mir arbeiten“) und vor allem die permanent Versagenden unter seinen Spielern, allen voran Kapitän Timo Wenzel, gegenseitig ihre Wertschätzung. Und nach Niederlagen verfallen sie stets in einen kollektiven Jammerton.

Weiter angeheizt wurde die Missstimmung noch durch drei Personalien, die Jara bei einer Niederlage gegen Bielefeld ziemlich sicher zum Verhängnis geworden wären: Der wieder spielbereite Mittelfeldstratege Ciriaco Sforza, ideales Scharnier zwischen Trainer und Mannschaft, weil er ein Spiel interpretieren kann, saß ebenso wenig auf der Bank wie Christian Timm, der zuletzt vier Tore für die FCK-Amateure schoss. Den technisch versierten Stefan Malz, einst bei Arsenal in London unter Arsène Wenger am Ball und heute Amateurtrainer des Landesligisten Arminia Ludwigshafen, verbannte Jara gar gänzlich aus dem Profi-Aufgebot – ohne Aussicht auf Wiederkehr. Wie sehr Jara einen Lenker der Marke Sforza in seinem Bonsai-Mittelfeld mit dem talentierten Ex-Zweitligaspieler Ferydoon Zandi, dem handwerklich soliden Thomas Riedl und dem nach langer Verletzungspause seine Form suchenden Dimitrios Grammozis bräuchte, wurde, wie schon in den zehn Spielen zuvor, auch in der Partie gegen die Arminia aus Bielefeld offenbar.

Die nämlich hatte auf dem Betzenberg durchaus die besseren Chancen, vergaß jedoch, Tore zu schießen, besonders in der zweiten Halbzeit, als der 1. FCK mehr nach vorne spielte und die Blau-Weißen immer wieder geschickt konterten. Nur den Abwehrkünsten ihres Torhüters Tim Wiese hatten es die Roten Teufel zu verdanken, dass ihnen nicht vorzeitig alle Siegchancen schwanden. Erst traf der Armine Dammeier nur den Pfosten (60.), danach hielt Wiese in der 67. und 70. Minute zwei Mal Schüsse des albanischen Nationalspielers Ervin Skela. Erst bei Delron Buckleys Vorstoß nach zwei aufeinander folgenden Fehlern der Lauterer Riedl und Lembi war auch Wiese chancenlos – und elf Minuten vor Schluss lag der 1. FCK 0:1 zurück.

Somit lief die Uhr gegen Kurt Jara, der schon die ganze Woche über die Namen seiner potenziellen Nachfolger hatte lesen können: Von Stefan Kuntz über Jürgen Röber, Jörg Berger, Werner Lorant und Klaus Toppmöller bis hin zu Bruno Labbadia, Winfried Schäfer und Frantisek Straka reichte die Galerie der bereits gehandelten Retter auf dem Betzenberg. Doch der bis dahin so glücklose und immer öfter von den eigenen Fans geschmähte Kurt Jara hatte dieses Mal ein gutes Gespür bei seinen Einwechslungen. Einer der Neuen, der Ex-Waldhöfer Selim Teber, war es, der beim Ausgleich nur eine Minute nach dem 0:1 als Letzter mit seinem Kopf am Ball war. Und als die Bielefelder sich dann mit dem einen Punkt zufrieden gaben, war es nochmals Teber, der per abgefälschtem Schuss in letzter Minute sogar das 2:1 erzielte.

„Ausgerechnet Selim“, entfuhr es Uwe Rapolder, der Teber einst beim SV Waldhof entdeckt und in seine Fast-Aufstiegsmannschaft von 2001 integriert hatte. Und da Rapolder nicht nachtragend ist, nahm er Teber gleich nach dem Schlusspfiff beiseite und raunte ihm ein Kompliment zu. Damit war es dann aber genug der Lobesworte für die Gegner: „Wir müssen jetzt wieder punkten, um nicht hinten reinzurutschen“, mahnte Rapolder. Dorthin, wo der 1. FCK trotz des Sieges unverändert steckt. Denn nur ein Erfolg beim VfL Bochum kann verhindern, dass Kurt Jara am 13. November gegen Borussia Dortmund erneut ein Trainer auf Abruf sein wird.

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