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Der Lauf der Dinge

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Moden kommen und gehen. Auch in der Gastronomie. Was sich aber bewährt, das bleibt

Irgendwann würde es mit der vietnamesischen Küche in Berlin wieder vorbei sein, unkte eine Freundin letztens. Der Lauf der Dinge sei kurvig, folglich auch der Lauf der Gastronomie. Früher sei man zum Schnitzelwirt gegangen, dann habe das griechische und italienische Essen als fremd und exotisch gegolten. Irgendwann aßen alle Pizza, dann kam der Döner als Snack für unterwegs. Seit ein paar Jahren gelte vietnamesisches Essen als schick, und genau deswegen müsse es mit seiner Beliebtheit bald vorbei sein. „Dann machen diese vielen Läden dicht!“, befand sie und wies auf die neue Liebe zum Schnitzel hin. Bei dieser Vorstellung wurde mir ganz anders, nachts konnte ich nicht mehr schlafen, aus Angst vor der sommerrollenfreien Zukunft.

Doch hatte diese Freundin recht? War es möglich, dass bald überall dort, wo heute noch asiatische Köstlichkeiten auf den Tisch kamen, neue Wienerwaldfilialen öffnen würden?

Dem kleinen vietnamesischen Restaurant Hamy an der Hasenheide kann man allen Unkenrufen zum Trotz eine recht glückliche Zukunft prophezeien. Das Lokal präsentiert sich so, wie viele andere seiner Art. Einfach, aber nicht unschick. Der Speiseraum wurde in einem warmen Orange gestrichen. Die Küche ist offen, was Vertrauenswürdigkeit vermittelt. Das erscheint in der Preisklasse des Hamy besonders wichtig. Denn: Teuer ist es hier nicht. Um die 5 Euro kosten die Hauptgerichte von der Tageskarte, meistens beide nicht vegetarisch. Die würzig geschmorte Hühnerbrust mit Biokürbis, Kokosmilch, Zitronengras, Gemüse, gehackten Erdnüssen, Koriander und Duftreis schmeckt deutlich schärfer als erwartet. Dafür aber krachen die Nüsse fein im Mund und das Gemüse knackt frisch.

Zu lange sollte man sich über solche Dinge aber keine Gedanken machen, wer nämlich verweilt, macht sich im Hamy nicht beliebt. Im Frühling, nun, da vor dem kleinen Lokal Bierbänke und -tische stehen, somit 20 bis 30 Gäste mehr Platz finden als im Winter, wurden die Sitten etwas gelockert. Man darf noch in Ruhe überlegen, ob man den Nachtisch haben möchte oder nicht, ohne dass gleich die Rechnung auf den Tisch geknallt wird. Die abgegessenen Teller der einen werden trotzdem schon abgeräumt, während der Nebenmann noch isst. Zu sehr möchte man das nicht kritisieren, abendfüllend speist man anders, aber nicht unbedingt besser.

Genau deswegen, weil das Essen gut ist und unkompliziert, werden die vietnamesischen Lokale nach Art des Hamy sicher auch in Zukunft gerne besucht werden. Sorgen braucht man sich also nicht zu machen. Aller Kurven zum Trotz.

RESTAURANT HAMY, Hasenheide 10, 10967 Berlin, Tel. (0 30) 61 62 59 59, Mo.–So. 12–24 Uhr, Cola 1,30 €, Hauptgerichte 4,90 €, U Hermannplatz

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