Gesundheitsstreit: Merz ärgert Merkel

CDU-Steuerexperte gegen faule Kompromisse mit der CSU. Merkel-Vize Bosbach fürchtet: „Uns läuft die Zeit davon“

BERLIN taz ■ Der Streit mit der CSU über die Gesundheit macht die Merkel-Treuen in der CDU zunehmend nervös. „Uns droht die Zeit wegzulaufen“, sagte Fraktionsvize Wolfgang Bosbach der taz. Spätestens bis zum CDU-Parteitag Anfang Dezember müsse eine Einigung her. Schon jetzt sei auf Parteiveranstaltungen „überall die erste Frage“, warum man kein gemeinsames Reformkonzept für das Gesundheitssystem hinbekomme, klagte Bosbach. Er könne dann nur sagen, dass „alles ganz schwierig“ sei. Wohl wahr. Eine Lösung wurde auch beim Treffen der Gesundheitsexperten und Generalsekretäre am Sonntag nicht gefunden. Im Gegenteil. Die CSU präsentierte neue Berechnungen, wonach die Pläne der CDU zu Steuererhöhungen führen würden, die man nicht mittrage.

Wer diesen Streit verstehen möchte, muss sich in den Zahlensalat vertiefen, den sich beide Seiten um die Ohren hauen. Die CDU will den „Sozialausgleich“ für Geringverdiener, die sich die geplanten Kopfpauschalen nicht leisten können, aus Steuergeldern finanzieren. Um die nötigen Mittel aufzubringen, schlug die CDU vor, das eigene Steuersenkungskonzept aufzuweichen. So soll der Eingangssteuersatz nur auf 13 statt auf 12 und der Spitzensteuersatz nur auf 39 statt auf 36 Prozent gesenkt werden. CDU-Experten überlegen zudem, dass der Spitzensteuersatz schon ab niedrigeren Einkommen als bisher „greifen“ könnte. Das aber bedeutet: Ausgerechnet die von der Union umworbene Mittelschicht würde stark belastet – was die CSU kategorisch ablehnt. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer sprach dennoch von einem „guten Treffen“. Schließlich ist CDU-Chefin Angela Merkel an einer Einigung vor dem Parteitag interessiert. Da wollen ihre Leute das Klima nicht noch mehr vergiften.

Genau das aber tat Friedrich Merz. Im Streit mit der CSU dürfe es keine Kompromisse geben, forderte der scheidende Fraktionsvize. Der Systemwechsel müsse ganz oder gar nicht vollzogen werden. Eine Mischung aus Kopfpauschale und einkommensabhängigen Beiträgen, die der CSU vorschwebt, komme nicht in Frage. „Wenn wir von Links- auf Rechtsverkehr umstellen wollen, dann können wir ja auch nicht auf dem Wege des Kompromisses sagen, wir fahren jetzt alle über den Grünstreifen“, so Merz. Die CSU müsse deshalb das Grundprinzip der Kopfpauschale akzeptieren, erst danach könne man über die Finanzierungsfragen reden. Nach schneller Lösung klingt das nicht – was Merkels Gegner Merz nur recht sein dürfte. LUKAS WALLRAFF