Brüchige Feiertagsfeuerpause auf Sri Lanka

Internationales Ringen um das Leben von mehr als 100.000 Zivilisten verzögert die Endoffensive gegen die LTTE

BERLIN taz ■ Mit einer zweitägigen Feuerpause zum tamilischen Neujahrsfest reagierte Sri Lankas Regierung auf internationalen Druck. Die Rebellenorganisation Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) wies die ab Montag null Uhr Ortszeit geltende „Einstellung der Offensivaktionen“ als „beleidigende Feiertagsdiplomatie“ zurück. LTTE-nahe Quellen berichten von Artillerieattacken der Armee nach Beginn der einseitigen Waffenruhe. Gleichzeitig starben im Südosten fünf Menschen bei einem Überfall, der der LTTE zugeschrieben wird. Die LTTE ist seit Wochen in einem immer kleiner werdenden Gebiet im Nordosten des Landes von der Armee eingeschlossen. Wenn die Militärs noch nicht zum Vernichtungsschlag angesetzt haben, liegt das an den rund 150.000 tamilischen Zivilisten, die sich dort befinden – missbraucht als menschlicher Schutzschild, wie die Regierung meint.

Nach Angaben der LTTE bleiben sie freiwillig, weil sie Schikanen der Armee fürchten. Tatsächlich werden Zivilisten, die das Kriegsgebiet verlassen, für unbestimmte Zeit interniert. Wahrscheinlich mehrere tausend sind seit Jahresbeginn unter Bomben und Artilleriehagel gestorben oder verstümmelt worden. Genaue Zahlen sind kaum zu bekommen, da Journalisten und humanitäre Helfer keinen Zugang bekommen.

Die Versorgungslage und die sanitären Zustände sind jedenfalls prekär. Präsident Mahinda Rajapakse und seine Armee stehen deswegen seit Wochen im Kreuzfeuer internationaler Kritik. Am Samstag gingen rund 200.000 Exiltamilen in einer machtvollen Demonstration in London auf die Straße und prangerten den „Genozid“ an ihren Brüdern und Schwestern an. Auch in Australien, in Kopenhagen und Oslo demonstrierte die tamilische Diaspora. In Oslo besetzten Demonstranten am Sonntag kurzzeitig die Botschaft ihres Landes.

Appelle der Vereinten Nationen und humanitärer Organisationen an die Regierung in Colombo, den Kampf einzustellen und mit der LTTE eine politische Lösung des ethnischen Konflikts auszuhandeln, verhallten ungehört. Man werde sich nicht in letzter Minute den militärischen Sieg nehmen lassen, erklärte ein Regierungssprecher. Vor einem Blutbad, das bei einer Schlussoffensive wohl unvermeidlich wäre, schreckt die Regierung offenbar zurück. Sie braucht die internationale Gemeinschaft für den Wiederaufbau. Deswegen hofierte Rajapakse zuletzt sogar die sonst als „Terroristenfreunde“ geschmähten norwegischen Vermittler, die als Einzige noch Zugang zur LTTE-Führung haben. Nationalistische singhalesische Hetzer, die es nicht erwarten können, dass die Rebellen ausradiert werden, kamen in der regierungsnahen Presse zuletzt auffällig wenig zu Wort.

Die Rettung der tamilischen Zivilbevölkerung, um die sich die UNO und mehrere westliche Regierungen bemühen, kann, so meinen lokale Kommentatoren, nur durch ein Zugeständnis an die LTTE-Führung erkauft werden. RALF LEONHARD