Der Freier Friedman wird nicht gefragt

In Berlin beginnt der Prozess gegen einen Frauenhändlerring, der auch Michel Friedman zu seinen Kunden zählte

BERLIN taz ■ 83 Bände Ermittlungsakten, 25 Zeugen, 19 Gutachten, 4 Angeklagte, 10 Verteidiger, 2 Richter und 35 Journalisten. Das sind die Zahlen in dem Prozess um einen Menschenhändlerring, der gestern in Berlin begann. Grund für das große Medieninteresse ist aber ein Mann, der gar nicht anwesend war und der auch nicht erscheinen wird: Michel Friedman.

Auf einer Liste aus den Akten sind 3.850 Gesprächsteilnehmer verzeichnet, die bei dem Zuhälterring angerufen hatten, darunter auch der prominente Talkmaster. Durch diese Liste waren die Ermittler vor einigen Monaten auf Friedmans Drogenkonsum aufmerksam geworden. Friedman hat einen Strafbefehl in Höhe von 17.400 Euro Geldstrafe wegen „Besitz von einem Kokaingemisch zum Eigenverbrauch in zehn Fällen“ akzeptiert und sein Amt als Vizepräsident des Zentralrats der Juden niedergelegt. Bei der Öffentlichkeit und seiner Freundin Bärbel Schäfer entschuldigte er sich medienwirksam. Inzwischen ist er Sachbuchherausgeber im Aufbau Verlag und wieder häufig zu Gast in Polit-Talkshows.

Dass Friedman die gewünschte „zweite Chance“ bekam, liegt wohl auch daran, dass er immer nur seinen Kokainkonsum zur Sprache brachte und nie von sich aus über die Prostituierten sprach, in deren Gesellschaft er die Drogen einnahm. Die Frage nach seiner möglichen Mitverantwortung für die Lage der ukrainischen und polnischen Frauen geriet so in den Hintergrund.

Das kann sich durch den Prozess ändern. Laut Anklage haben die Frauen Furchtbares erlebt. Sie seien zunächst aus ihren Heimatländern nach Deutschland geschleust worden. In Berlin hätten sie dafür und für gefälschte Pässe dann 3.000 Euro zahlen oder die Summe in zwei bis vier Jahren als Prostituierte „abarbeiten“ sollen. Man drohte ihnen, sie würden umgebracht, falls sie sich wehren oder auffallen würden. Eine Frau habe ausgesagt, sie sei noch an der Grenze zu Deutschland von drei Männern vergewaltigt worden.

Einige Frauen wussten zwar, dass sie in Deutschland als Prostituierte arbeiten würden, sagte die Staatsanwältin. „Aber sie wussten nicht, dass sie jeden Kunden annehmen müssen, und sei er noch so schmierig und abstoßend.“ Rund um die Uhr hätten die Frauen sich bereithalten müssen, um auf Abruf von einem Fahrer zu den Freiern gebracht zu werden. Per Handy seien sie überwacht worden. Vor dem Saal 700 des Gerichts fragten Journalisten daher immer wieder: Ist nicht auch ein Freier verantwortlich für diese Zustände, zumindest moralisch?

Die Anwältin einer der Prostituierten, die in dem Prozess als Nebenklägerin auftritt, bejahte das: „Wenn man merkt, wie schlecht die Frauen Deutsch sprechen können, dann ist das ein Indiz dafür, dass sie keine Arbeitserlaubnis haben.“ Dass sie sich nicht freiwillig prostituierten, könne man dann vermuten, „zumindest wenn man das politische Geschehen verfolgt“.

Friedman bleibt ein Auftritt vor Gericht erspart, da er kein Beschuldigter in dem Verfahren ist. Es gebe auch keinen Grund, Friedman als Zeugen vorzuladen, erklärten die Anwälte beider Seiten. MAREKE ADEN