Mit einem Bein im Polizeistaat

CDU will mehr Videokameras in Bremen aufstellen. Bürgerrechtsaktivist kritisiert totalitären Charakter solcher Überwachungsmaßnahmen

Bremen taz Die Bremer CDU freut sich: Man habe positive Erfahrungen mit der Videoüberwachung auf dem Bahnhofsvorplatz gemacht. Die Straftaten seien deutlich zurückgegangen und die Aufklärungsquote gestiegen, sagte ihr innenpolitischer Sprecher Rolf Herderhorst. Angesichts des Erfolgs fordert Herderhorst, in Zukunft auch andere Orte mit erhöhter Kriminalität zu überwachen.

Bürgerrechtsaktivist und Anwalt Fredrik Roggan kritisiert, dass immer mehr Kameras das Leben der Menschen in den Städten überwachen. „Die permanente Kontrolle führt dazu, dass Menschen sich konformer verhalten als sie das sonst tun würden“, so Roggan. Zudem könnten sie nicht mehr selber bestimmen, welche Informationen über sie weitergegeben würden.

Ähnliche Pobleme sieht Roggan auch bei der Überwachung von Telefonen. Ermittler hören jährlich über eine Million Gespräche von Menschen ab, gegen die Strafverfahren laufen. Auch Freunde und Bekannte von Verdächtigen seien betroffen. „Ich habe kaum noch ein Strafverfahren, bei dem keine Telefonüberwachung im Spiel ist“, so Roggan. Die Unschuldsvermutung gebiete aber, dass Menschen erst dann überwacht würden, wenn gegen sie ein konkreter Tatverdacht vorliege.

Seit Dezember des letzten Jahres können in Niedersachsen Telefonanschlüsse abgehört werden, ohne dass ein konkreter Anfangsverdacht vorliegt. Hier reicht bereits die bloße Vermutung aus, jemand könnte straffällig werden. „Dieses Ermittlungsprinzip ist totalitär“, kritisiert Roggan.

Der niedersächsische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Burckhard Nedden, teilt die Kritik von Roggan. Er unterstützt daher eine Klage eines niedersächsischen Bürgers gegen die Präventivüberwachung vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Klage zeigt bereits Wirkung. Viele Bundesländer – darunter Bremen – haben das vorsorgliche Abhören erst einmal auf Eis gelegt. Und warten auf Nachricht aus Karlsruhe. Fritz Schorb