Schwertes Bürgermeister wird beschnitten

Der rot-grüne Stadtrat von Schwerte will mehr Kontrolle über Personal- und Vergabeentscheidungen des CDU-Bürgermeisters. Der Rathauschef prüft juristische Schritte. NRW-weit unklare Aufgabenteilung von Rat und Verwaltung

SCHWERTE taz ■ Die Beschneidung war eine langwierige Prozedur: Bis halb eins in der Nacht zum Donnerstag tagte der Schwerter Stadtrat, und am Ende der Sitzung musste CDU-Bürgermeister Heinrich Böckelühr leiden. Mit den Stimmen von SPD, Grünen und freien Wählern änderte der Rat die Hauptsatzung der Stadt und beschnitt die Kompetenzen des Rathauschefs drastisch. Künftig muss Böckelühr, der noch vor einem Jahr von der Wirtschaftspresse wegen der Verschlankung und Zentralisierung seiner Verwaltung zum „Mutmacher“ für Deutschland gekürt wurde, das Stadtparlament bei Auftragsvergaben in Höhe von über 50.000 Euro informieren und Beförderungen und Neueinstellungen von Personal ab Besoldungsgruppe A 12 vom politischen Gegner absegnen lassen.

Die Schwerter SPD sieht die Teilentmachtung des Bürgermeisters als einen Schritt zu mehr Demokratie. Stärkere Kontrolle des Stadtoberhaupts sei notwendig: Böckelühr habe während seiner Amtszeit eigenmächtig städtische Immobilien verschleudert, Parteifreunde bei Auftragsvergaben bevorzugt und umstrittene Personalentscheidungen getroffen. „Mit der neuen Satzung soll es ihm schwer gemacht werden, weiterhin solche Filzentscheidungen zu treffen“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Bernd Schmitt. Ohnehin seien die Befugnisse des Bürgermeisters ungewöhnlich groß gewesen, so habe er bislang ohne Absprache Ausgaben bis zur Höhe von hunderttausend Euro genehmigen dürfen. „In der Nachbarstadt Unna liegt die Grenze bei 25.000 Euro“, so Schmitt.

Dass Bürgermeister Personal am Rat vorbei einstellen, ist nicht selten. So bestellte Bocholts neu gewählter SPD-Bürgermeister Peter Nebelo ohne Zustimmung des schwarz-gelb dominierten Kommunalparlaments einen neuen Kämmerer mit Besoldungsgruppe A 14 – ganz legal, sagen Verwaltungsrechtler. „Die Gemeindeordnung lässt die Grenzen bewusst unklar, um die Kommunen selbst entscheiden zu lassen“, sagt Janbernd Oebbecke, Leiter des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Uni Münster. So seien im Fall Schwerte sowohl die bisherigen Befugnisse des Bürgermeisters als auch die neue Regelung juristisch einwandfrei (siehe Kasten). „Solche Änderungen werden immer wieder benutzt, um Bürgermeister mit anderem Parteibuch zu piesacken“, so Oebbecke. Grundsätzlich sei der Spielraum für Bürgermeister in NRW „keinesfalls zu gering.“

Schwertes Bürgermeister Böckelühr will die Entscheidung des Stadtrats nun juristisch prüfen und „im Zweifelsfall klagen“. Die Beschneidung seiner Zuständigkeit seien willkürlich, zudem habe er nie nach Parteibuch entschieden. Wenn es jetzt „alle Macht den Räten“ heiße, sei dies der Auftakt für den kommenden Wahlkampf. „Dass ein CDU-Bürgermeister im traditionell sozialdemokratischen Schwerte so erfolgreich arbeitet, passt einigen SPDlern halt nicht“, sagt er.KLAUS JANSEN