Mehr Alzheimer in Großstädten

Abgase schädigen die Blutgefäße, das Herz und die Lunge. Minipartikel aus den Abgasen sind aber auch im Gehirn nachweisbar

Mexico City versinkt täglich im Smog. Wer also wissen will, wie sich Feinststäube und Dieselruß auf die Gesundheit auswirken, ist hier genau richtig. So wählte auch Lilian Calderón-Garciduenas von der Universität North Carolina die mexikanische Hauptstadt als Studienobjekt aus. Und zwar um der Frage nachzugehen, ob feine Partikel ein Risikofaktor für die Entstehung von Alzheimer sein könnten. Schließlich hatte man feinste Partikel aus Treibstoffen in Herzgefäßen und Lungen gefunden, warum nicht auch im Gehirn?

Erste Antworten präsentierte die Neuropathologin auf einem Symposium der Gesellschaft für Umwelt und Gesundheit (GSF), das Ende August in München stattfand. Calderón-Garciduenas bewies in zahlreichen histologischen Schnitten, dass feine Stäube ins Gehirn gelangen und sich dort ablagern. Beispielsweise auch im Hippocampus, der Region, in der die Beta-Amyloid-Plaques entstehen.

Diese Eiweißkugeln zeichnet man für die Alzheimer-Erkrankung mitverantwortlich, weil sie umliegendes Nervengewebe zerstören. Im Hippocampus sitzt das Gedächtnis. Daher macht sich ein Verlust von intakten Neuronen in dieser Region als Gedächtnisstörung und als Alzheimer-Symptom bemerkbar.

Erste Studien machte Calderón-Garciduenas mit Hunden, die durch die Straßen von Mexico City streunten. Sie sezierte die Gehirne und fand Vanadium- und Nickel-Partikel in deren Riechkolben (Bulbus Olfactorius). Hier enden die Riechnerven aus der Nase. Der Riechkolben ist bereits ein Teil des Gehirns. Von dort werden Gerüche in den tiefer gelegenen Hippocampus weitergeleitet. Diesen Weg bahnen sich anscheinend auch feine Partikel. Im Hippocampus der Hunde fand die Forscherin besonders viele Metallablagerungen aus dem Straßenverkehr.

Auch bei Menschenleichen wurde die gebürtige Mexikanerin fündig: Sie wies die smogtypischen Ablagerungen im Gehirn nach. Gleichzeitig fand sie bei erst 38-Jährigen Alzheimer-Plaques, wie man sie bisher nur von Senioren kennt.

Ähnliche Untersuchungen wie Calderón-Guarciduenas machte Bellina Veronesi, Wissenschaftlerin der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA. Auch sie fand die Minipartikel aus dem Auspuff im Gehirn von Mäusen. Mit welchem Mechanismus diese genau zu Alzheimer oder Parkinson führen könnten, sei jedoch unklar, räumte Veronesi auf dem GSF-Symposium ein. Ihre Theorie: „Die Stoffe begünstigen vielleicht die Entstehung von freien Sauerstoff-Radikalen im Gehirn und beschleunigen so die Zerstörung der Nervenzellen.“

Für einen Zusammenhang zwischen Smog und Gehirnerkrankungen spricht auch die Tatsache, dass in luftverschmutzten Gegenden die Zahl der Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Huntington besonders hoch sind. Die Forscherinnen sehen diesen Zusammenhang aber noch nicht als bewiesen an. Es gäbe lediglich Hinweise. Ihre Funde bezeichneten sie jedoch als alarmierend.

Für gesunde, erwachsene Städter gäbe es zwar keine Gefahr, so Veronesi. Aber Raucher, alte Menschen, Übergewichtige, Asthmatiker und unterernährte Kinder könnten durch die dicke Luft schneller eine Altersdemenz entwickeln. KATHRIN BURGER