Plump bebildert

Sumpfblüte im Staatstheater Hannover: Die jüngst uraufgeführte Adaption von Karen Duves „Regenroman“ setzt den Dramatisierungs-Boom der Bestseller fort

Wie bei Edgar Wallace: Moor, Nebel, Regen, Hundegebell. Und eine Wasserleiche – hier in Feen-Gestalt. Fingernägel aus Federn, Haare wie Algen, Bewegungen wie im Tunten-Ballett, so tanzt die pfundige Isadora durchs Atrium das Schauspiel Hannover, akustisch umschwirrt von blubberndem Matsch. Nüchtern dagegen die Szene im extra nachgeweißten Foyer. Damit umso deutlicher entlarvt wird, wie Möchtegern-Literat Leon erst die schöne dünne Martina heiratet um dann der wabbeligen Weichheit Isadoras zu verfallen. Sein selbstgerechter Lebensentwurf versinkt im Morast. So steht es in Karen Duves Bestseller Regenroman. Ihre Worte beflügeln die Phantasie, die im Staatstheater Hannover wieder geerdet wird: Die Dramatisierung haben Viola Hasselberg und Regisseurin Sandra Strunz besorgt.

Ein Roman ist ein Roman – das gilt nur noch, wenn ihn keiner kauft. Dann wandert die Erstauflage in den Ramsch. Fühlt sich die geneigte Kundschaft aber veranlasst, massenhaft ein Buch zu erwerben, stehen gleich Hörspiel- und Filmproduzenten Schlange. Am Schauspiel Hannover denkt man: Da stellen wir uns auch noch an. Schließlich kann man schneller als die audiovisuellen Medien reagieren.

Nach einer Erprobungsphase mit Klassikern wie Nabokovs Lolita ging’s an die Spiegel-Hitparade. So pilgert der einsamkeitsnölige Mann der westlichen Zivilisation nicht mehr nur in Michel Houellebecqs Plattform gen Osten, sondern sucht auch auf der Ballhofbühne nach den letzten Glücks-Kicks. Zum Kontrast: Mädelliteratur. Junge, attraktive Frauen mit poetischer Ader wurden vor vier Jahren als „Fräuleinwunder“ gefeiert. Weibliche Erzähllust, die mit antiideologischer Frische gegen den Mief deutscher Belletristik vorging. Und Regenroman war der Hit des Fräuleinwunders: Ein eigenwilliger Anti-Wallace-Krimi, der mit Erwartungen der Leser ebenso spielt wie mit den Lebenslügen der Protagonisten. Drum herum droht die märchenhafte Moor-Metapher – und die abgegriffene Versuchsanordnung, den öden Osten gegen den profitgeilen Westen auszuspielen.

Regisseurin Strunz betont genau das. Sie macht aus Duves Lebensmittelhändler Kerbel einen Sonderposten-Shop-Besitzer, der „Scheiß Westen“ brüllt. Beim Thema „Mann“ wird sie noch deutlicher. Leon selbst muss dauergeil an seiner Frau herumfummeln, sein Freund Harry und dessen Freund Pfitzner sind aggressive Zuhältertypen. Klar, dass Martina da schnell reif für die Flucht ist und mit der lesbischen Nachbarin auf Hund Noah herumsexualisiert. Zwischen gierig aufgegriffenen Dialog-Schnipseln lässt die Regisseurin Duves Erzähltext aufsagen. Handlung, Atmosphäre, Psychologie werden verkündet – Strunz Bilder sind zu plump, um so viel zu erzählen wie das Buch. Was bleibt, ist eine geraffte Inhaltsangabe. Ein Roman ist eben ein Roman – und dieses Theater nur etwas für Lesefaule. Jörg Meyer

Staatstheater Hannover. Nächste Aufführungen: 4.+9.12., jeweils 20 Uhr