Rechtsstaat gegen Volkskrieg

In Peru wird der Prozess gegen den einstigen Chef des „Leuchtenden Pfads“ neu aufgerollt. Abimael Guzmán soll ein rechtsstaatliches Verfahren ermöglicht werden

BUENOS AIRES taz ■ Eingesperrt wie ein wildes Tier in einem Eisenkäfig und in schwarz-weiße Sträflingskleidung gesteckt, so wurde Abimael Guzmán im September 1992 den Peruanern nach seiner Festnahme präsentiert. Am 12. September 1992 wurde der Führer der maoistischen Terrorgruppe „Leuchtender Pfad“ von einer Antiterroreinheit festgenommen. Für den damaligen Präsidenten Alberto Fujimori (1990–2000) war es der wichtigste Fahndungserfolg. Und es war ein Bild mit Symbolwert, wie der Guerillachef die Gitterstäbe seines Käfigs umklammerte und brüllte: „Mich könnt ihr einsperren, aber meine Ideen nicht.“

Jetzt beschäftigt Guzmán erneut Perus Justiz. Heute werden die Prozesse gegen den gefürchteten Terrorchef neu aufgerollt. Zwar war Guzmán nach seiner Festnahme vor zwölf Jahren bereits zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Doch im vergangenen Jahr hob das Verfassungsgericht das Urteil auf, weil bei dem Prozess vor einem Militärgericht sein Recht auf Verteidigung missachtet worden sei.

Guzmán war unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgeurteilt worden. Seine Richter konnte er nicht sehen. Sie saßen hinter getönten kugelsicheren Scheiben. Jetzt steht Guzmán vor zivilen Richtern, denen er in die Augen sehen kann. Ein Zivilgericht soll dem gefährlichsten Gegner des peruanischen Staates einen fairen Prozess machen. Zumindest vor der ersten Verhandlung lässt dies die Peruaner heute kalt. Guzmáns Anwälte kritisieren den Prozess als „Show-Veranstaltung“ und kündigen eine „kreative Verteidigung“ an.

Der einstige Philosophieprofessor war unumstrittener Führer des „Leuchtenden Pfades“. Nach seiner Verhaftung stellten die Maoisten ihre Aktivitäten ein. Dieser Tage wird nur noch von vereinzelten Aktionen berichtet. Schon zu Beginn der 70er-Jahre leitete Guzmán seine maoistische Gruppe „Leuchtender Pfad“, die seinerzeit an den Wahlen zum Studierendenparlament in der Stadt Ayacucho teilnahm. Von anderen Organisationen wurde die Gruppe geschnitten, weil sie schon damals den bewaffneten Kampf propagierte. Am 18. Mai 1980 erklärte sie mit einem Attentat in Ayacucho den Volkskrieg gegen den Staat. Es war die Geburtsstunde der brutalsten Guerillagruppe in Lateinamerika, die während der 80er- und 90er-Jahre aktiv war. In Peru begann die bleierne Zeit.

Vor einem Jahr präsentierte die von der Regierung eingesetzte Wahrheitskomission ihren Abschlussbericht über Perus politische Gewalt in jenen Jahren. Demnach gab es zwischen 1980 und 2000 mindestens 69.000 Todesopfer politischer Gewalt. Über die Hälfte davon ging auf das Konto des „Leuchtenden Pfads“. „Peru ist eines der wenigen Länder mit einer Terrororganisation, die den Terror als Ziel angesehen hat, vergleichbar nur mit Bewegungen wie von Pol Pot“, sagt der Chef der Kommission, Salomón Lerner. Die Strategie der Maoisten war einfach. Sie fielen in Dörfer ein, ermordeten die lokalen Gemeindevertreter und erklärten die Gegend als befreit. INGO MALCHER