Terrorfahnder: Bush ein Problem

Die deutschen Kriminalexperten vermieden auf ihrer Herbsttagung jede Kritik am neu gewählten US-Präsidenten – in ihren offiziellen Statements. Aber hinter vorgehaltener Hand wurden sie deutlich: „Der hat so gut wie alles falsch gemacht“

AUS WIESBADEN ASTRID GEISLER

Das eine Ereignis fiel mit dem anderen nur zufällig zusammen, auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamts in Wiesbaden war die US-Wahl dennoch Thema: Denn der Expertenkongress stand unter dem Motto „Netzwerke des Terrors und Netzwerke gegen den Terror“. Was heißt der Wahlsieg von US-Präsident George Bush für Ermittler, Verfassungsschützer, Geheimdienstler und Innenpolitiker im Kampf gegen den internationalen Terrorismus? Die offizielle Antwort von BKA-Chef Jörg Ziercke klang zurückhaltend: „Ich glaube, dass das keine großen Auswirkungen haben wird.“ Allerdings deute die von Ussama Bin Laden kurz vor der Wahl verbreitete Videobotschaft darauf hin, dass sich auch der Al-Qaida-Chef eine zweite Amtszeit Bushs gewünscht habe. Das alles sei natürlich nur seine ganz persönliche Meinung zu dieser „hochpolitischen Frage“.

Das Thema ist heikel. Ohne Informationen aus dem Ausland, gerade aus den USA, wären die deutschen Sicherheitsbehörden verloren bei ihrer Arbeit gegen die terroristische Bedrohung durch al-Qaida. Kein Wunder, dass kein Offizieller bei dem BKA-Kongress die Partner in Washington offen kritisierte. Was die Fachleute hinter vorgehaltener Hand über den Wahlausgang murmelten, klang jedoch deutlich.

„Wenn Bush seine Politik so fortsetzt wie in den letzten vier Jahren, dann wird das den islamistischen Terrorismus weltweit weiter anheizen“, fürchtet ein hochrangiger Verfassungsschützer. „Wasser auf die Mühlen der Islamisten“ sei Bushs Politik gewesen – „der hat so gut wie alles falsch gemacht“. Anders als ein BKA-Sprecher nennt der Verfassungsschützer die Zusammenarbeit mit den US-Kollegen nicht „sehr gut“, seine Zwischenbilanz lautet: „Die Kooperation war oftmals einseitig.“ Teilweise seien die Antworten auf Anfragen aus der Bundesrepublik äußerst bescheiden ausgefallen.

Bushs Herausforderer John Kerry wäre eine „große Chance“ gewesen, urteilt ein Ministerialer. Nun bleibe, so ein namhafter Verfassungsschützer, nur die Hoffnung, dass Bush in seiner zweiten Amtszeit den „internationalen Dialog intensiviert“ und „mehr tut, um die Konfliktsituation im Nahen Osten und im Irak einzudämmen“.

Diese Hoffnung hat für die Sicherheitsexperten hierzulande durchaus praktische Bedeutung. Gut drei Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sehen sich die Terrorfahnder im Wettlauf gegen al-Qaida weiter nur auf Platz zwei. Denn die Attentäter profitieren von entscheidenden Startvorteilen, die Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) vor den 350 Konferenzteilnehmern beschrieb: „Den Terroristen muss von zehn Anschlägen nur einer gelingen, aber wir müssen sie alle verhindern.“ Zudem könnten die Sicherheitsbehörden unmöglich alle „weichen Ziele“ wie Kirchen, Bürohäuser, Hotels oder Banken vor Anschlägen schützen.

Den Fahndern bleibt nur, auf „Früherkennung“ und „Prävention“ zu setzen. Wie man allerdings junge Muslime davon abhalten kann, sich dem Terrornetzwerk anzuschließen, darauf wusste niemand eine Antwort. Gerade erst läuft im BKA ein Forschungsprojekt zu den Biografien und Motiven islamistischer Attentäter an. Am Ende steht ein ehrgeiziges Ziel: „Präventionsmodelle“ sollen helfen, den Nachwuchs immun zu machen gegen al-Qaida. Auch das, fürchten Sicherheitsexperten, wird jedoch nicht gelingen, solange Washington seine Politik im arabischen Raum nicht radikal ändert. „Wie können wir den Kampf um die Köpfe und die Herzen der Muslime gewinnen?“, fragte Schily die Fachleute in Wiesbaden. Das Urteil eines Länderkollegen: „So nicht.“