Auf der Straße getrennt, im Rat vereint

PDS und das MLPD-dominierte Wahlbündnis AUF haben in Gelsenkirchen eine gemeinsame Ratsfraktion gegründet. Ideologische Differenzen werden ignoriert. Der PDS-Landesverband wundert sich über „komische Bündnisse“

GELSENKIRCHEN taz ■ Rosarot und dunkelrot, Revisionismus und Revolution, Gregor Gysi und Genosse Mao – in Gelsenkirchen soll das im Rat künftig zusammen passen. Die jeweils zwei Mitglieder starken Ratsgruppen von PDS und AUF, einem von der maoistischen Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands geführten Wahlbündnis, wollen in der kommenden Ratsperiode eine gemeinsame Fraktion bilden. „Wenn die Republikaner als Fraktion im Stadtrat sitzen, dürfen wir Linke nicht weiter zersplittert sein“, begründet der PDS-Stadtverordnete Wolfgang Meyer das Bündnis mit den Maoisten.

Der bereits unterschriebene Fraktionsvertrag garantiert den Partnern mehr Rechte in der Ratsarbeit. Die Linken bekommen nun Stimmrecht in allen Ausschüssen, und auch finanziell lohnt sich die Zusammenarbeit: Bis zu 10.000 Euro zusätzlich pro Jahr fließt in die Kasse jeder der beiden Gruppen. Einen Fraktionszwang soll es nicht geben: „Jede Partei soll ihre eigene Identität behalten“, sagt Meyer.

Die Zusammenarbeit der ungleichen Partner kommt überraschend: Erst vor zwei Monaten hatte sich die Gelsenkirchener Montagsdemo gegen Hartz IV gespalten, weil PDS-Anhänger nicht gemeinsam mit den in ihren Augen sektiererischen Maoisten marschieren wollten. Beim Bündnis AUF stört man sich nicht an dem Streit: „Das war kein Thema bei den Gesprächen“, sagt Monika Gärtner-Engel, Ratsfrau und Gattin des großen MLPD-Zentralkomitee-Vorsitzenden Stefan Engel. Ideologische Differenzen werden die Ratsarbeit nicht behindert, glaubt Gärtner-Engel: „Im Stadtrat wird ja nicht so häufig diskutiert, ob die Sowjetunion jetzt wirklich sozialistisch war oder nicht.“ In der vergangenen Ratsperiode habe man nur bei zwei Abstimmungen abweichend von der PDS entschieden, realpolitisch biete sich die Zusammenarbeit deshalb an. Auch jetzt wolle man keinesfalls auf Totalblockade setzen: „Punktuell ist eine Zusammenarbeit auch mit der SPD und den Grünen denkbar“, so Gärtner-Engel.

Die SPD lehnt eine Zusammenarbeit mit den Maoisten jedoch ab. Zusätzliche Stimmen könnte die Partei von Oberbürgermeister Frank Baranowski jedoch gebrauchen: Rot-Grün fehlt genau eine Stimme zur Ratsmehrheit – die von der PDS hätte man gerne gehabt. „SPD-Fraktionschef Klaus Haertel hat mich noch angerufen und wollte mich von einem Bündnis mit AUF abbringen. Der hat sogar aus dem Verfassungsschutzbericht zitiert“, sagt PDS-Ratsherr Meyer.

Auch ohne Verweis auf den Verfassungsschutzbericht möchte die Landes-PDS mit den Maoisten zumindest offiziell nichts zu tun haben: „Das ist nicht abgesprochen, ich erfahre das jetzt durch Sie. Ich sehe das sehr kritisch, das trägt zur Spaltung bei“, sagt Landesgeschäftsführer Michael Kretschmer. Kretschmer wird nicht zum ersten Wahl in diesen Wochen von einem „komischen Bündnis“ überrascht: Im Rhein-Sieg-Kreis hatten sich Genossen im Oktober sogar mit der rechtsradikalen NPD zu einer „Technischen Fraktion“ zusammengetan, ein Ratsherr musste daraufhin die Partei verlassen. Die PDS ist auf kommunaler Ebene zudem häufig auf Bündnisse mit buntgescheckten linken Listen angewiesen, da sie bei der Kommunalwahl in vielen Städten den angestrebten Fraktionsstatus verpasst hat.

Auch die Gelsenkirchener PDS-Vertreter denken nicht daran, sich wegen der Kritik des Landesverbandes von den Maoisten zu distanzieren. „Wir behalten uns vor, auf lokaler Ebene allein so zu entscheiden, wie wir es für richtig halten“, sagt Ratsherr Meyer. KLAUS JANSEN