Wenn Schüler sich engagieren ...

... lernen sie die Doppelzüngigkeit der etablierten Politik kennen: Schülerinnen des ÖG wurden im Rahmen eines Senatsempfangs geehrt – ihr Anliegen landete im Papierkorb

Vor drei Jahren, erinnert sich die Schülerin Christine Peters, hat eine Projektgruppe der damaligen 10. Klasse begonnen, sich für das Thema der Umbenennung der Schwachhauser „Emmanuel-Straße“ durch die Nazis 1938 zu interessieren. Damals ging es um Migration, der jüdische Bauherr und Architekt Emmanuel Stern war im 19. Jahrhundert nach Bremen übergesiedelt, hatte hier leidliche Anerkennung gefunden, seine Nachkommen mussten in die USA auswandern. Dass ein Jude in Bremen als Bauherr auftreten durfte, war alles andere als selbstverständlich, lernten die Schülerinnen. Er meldete seine Pläne vorsichtshalber unter einem an deren, nicht jüdisch klingenden Namen an. Um so wichtiger der Durchbruch im öffentlichen Bewusstsein, als eine kleine, von ihm erbaute Straße seinen Vornamen bekommen sollte: die „Emmanuel-Strasse“.

1938 war dem Bremer NS-Senat diese Bedeutung des Straßennamens durchaus bewusst, sie benannten die Straße um in „Eupener Straße“ nach dem belgischen Ort, den die Nazis ihrem Reich einverleiben wollten.

Die Schülerinnen des ökumenischen Gymnasiums griffen das Thema im Rahmen eines bundesweiten Projektes Geschichte auf, nahmen Kontakt auf mit der in den USA lebenden Urenkelin von Emmanuel Stern, Ursula Weimersheimer. Sie studierten alte Akten und sie engagierten sich in der Diskussion des Beirates über die Rückbenennung der Straße. „Wir fanden dass sei selbstverständlich, dass die Straße wieder ihren alten Namen bekommen soll, dass wir uns gar nicht vorstellen konnten, dass jemand dagegen sein kann“, berichtet Julia Wellhausen. Eine späte Korrektur von nationalsozialistischem Antisemitismus, eine kleine symbolische Geste, immerhin.

Die Schülerinnen wurden damit konfrontiert, dass die Anwohner das selbstverständlich ganz anders sehen: „Die wollten uns überhaupt nicht zuhören.“ Selbst von jüngeren Bewohnern wurden die Schülerinnen des ÖG angefeindet, was sie sich da einmischen würden. Christine Peters ist enttäuscht: „Uns kam es vor, als hätten die nicht verstanden, worum es uns ging.“

Die Schülerinnen schrieben damals einen Brief an den Bausenator und erhielten eine Antwort, die das Engagement anerkannte und gleichzeitig auf die Meinung der betroffenen Anwohner verwies.

Mit dem Beiratsbeschluss im Mai 2003 war für die Schülerinnen die Sache eigentlich erledigt. Im November 2003 haben sie dann noch einmal ihre Ergebnisse auf Stelltafeln bei der Nacht der Jugend präsentiert. „Wir hatten einen schlechten Platz“, sagt Julia Wellhausen, die Aufmerksamkeit der Jugendlichen war gering. Die Brisanz des Themas war gering – die Sache schien entschieden. Immerhin hatten sie dann Erfolg beim Bundeswettbewerb „Demokratisch Handeln“ mit ihrem Projekt und wurden von Bildungssenator Willi Lemke aufgrund ihres Engagements zu einem Senatsempfang eingeladen und in ihrem Engagement bestärkt.

Monate passierte nichts, die Schülerinnen hätten das Thema fast vergessen. Völlig überrascht waren sie dann Anfang November von der ablehnenden Haltung des Bauressorts, das den Beschluss des Beirates aufheben wollte (taz 1./2.11.). Hatte nicht Bausenator Jens Eckhoff den Eindruck erweckt, sie stünden da auf der richtigen Seite? Auch Bildungssenator Lemke findet freundliche Worte, heute wie damals. „Ich würde mich freuen, wenn das Engagement der Schülerinnen und Schüler zu Erfolg führt. Dafür werde ich mich auch politisch einsetzen“, sagt er. Christine Peters und Julia Wellhausen glauben daran erst, wenn die Straßenschilder ausgetauscht sind. „Wir sind enttäuscht“, sagt Christine Peters.

Eine Lektion in politischer Kultur ist das Projekt für die Schüler des ÖG sicherlich gewesen. Klaus Wolschner