Kochrezepte für Multikulti

Die Rollberger Tafelrunde erhält den Neuköllner Bürgerpreis. Seit 2002 kochen im Rollbergkiez Bürger für Bürger. Dabei lernen sich Menschen unterschiedlicher Herkunft kennen und schätzen

von ULRIKE LINZER

„Das Rezept für Völkerverständigung ist das Kochrezept.“ Das ist das Motto von „Morus e. V. und die Tafel im Rollbergkiez“, die am Donnerstagabend den ersten Platz bei der ersten Neuköllner Bürgerpreisverleihung erhalten hat. Immerhin 1.000 Euro gibt es für das Koch- und Essprojekt, bei dem seit April 2002 einmal pro Woche im Zentrum der Morusstraße 14 Mieter für Mieter kochen. „Wir haben uns schon um die ganze Welt gegessen“, sagt die Vorstandsvorsitzende des Fördervereins, Ursula Bartels. Jeden Mittwoch zwischen 12 und 14 Uhr nehmen inzwischen bis zu 100 Menschen aller Nationen an der Rollberger Tafelrunde in der Morusstraße teil.

Die sechsköpfige Jury vergab zwei zweite Plätze: jeweils 500 Euro gingen an den Verein „Wir leben gern in Gropiusstadt“ sowie an die „Brücke zu Togo e. V“. „Wer die Liste der Bewerbungen las, erstaunte. Dass es so viel ehrenamtliches Engagement in Neukölln gibt, ist weithin unbekannt“, so der Stiftungskoordinator Kurt Anschütz. 39 Neuköllner Vereine und Initiativen hatten sich um den Bürgerpreis beworben, darunter Kulturinstitute, Nachhilfe- und Integrationsprojekte, Sportgruppen, Umwelt- und Entwicklungsforen, ein Obdachlosen-Nachtcafé und Computertreff für Senioren.

Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) und der Bezirksbürgermeister von Neukölln, Heinz Buschowsky (SPD), sprachen von dem guten Beispiel des Bezirks. Das soziale bürgerschaftliche Engagement und Bemühen um Toleranz und Verständnis solle auf ganz Berlin und darüber hinaus abfärben. „Wir sind multikulturell, und das ist eine der größten Stärken Berlins“, formulierte Karin Schubert nahezu enthusiastisch.

Deshalb will die Bürgerstiftung die Chancen Neuköllns als internationaler Bezirk mit 163 verschiedenen Nationalitäten herausstellen und nutzen. Sie regt Projekte und Wettbewerbe an, damit die Bewohner Verantwortung übernehmen: in ihrer Hausgemeinschaft, im Kiez, in Schulen, in sportlichen und religiösen Gemeinschaften. „Neukölln hat lokales soziales Kapital“, so Kurt Anschütz in seiner Rede zur Preisverleihung. „Wir machen Neukölln reicher.“

Die im Januar 2004 gegründete Stiftungsinitiative möchte das schlechte Image des Bezirks bekämpfen und zeigen, dass friedliches, multiethnisches Zusammenleben möglich ist. Erste Projekte waren der internationale Kindertheaterpreis „Neuköllner Globus“ im März und der Plakatwettbewerb „Neukölln zwischen Traum und Trauma“, die den multiethnischen Alltag von Kindern und Jugendlichen zum Thema hatten.

Die Stiftungsinitiative vergibt nicht nur Preise, sie kriegt auch welche. Für ihren Modellansatz einer Bürgerstiftung wurde sie als erste bezirkliche Bürgerstiftung Berlins und als erste multiethnisch orientierte Stiftung im Februar diesen Jahres vom Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken mit dem Förderpreis „Aktive Bürgerschaft“ ausgezeichnet. Und diese Woche bekam die Stiftungsinitiative eine weitere nationale Anerkennung vom Bündnis für Toleranz und Demokratie.

Im Vordergrund der Initiatoren steht jetzt, möglichst bald die notwendige Gründungssumme für die Stiftung beisammen zu haben. „50.000 Euro, das ist für Neukölln eine große Summe“, sagte Kurt Anschütz. Aber angesichts der jüngsten Anerkennung und des großen öffentlichen Interesses hofft er auch auf neue Stiftungsmitglieder. Mit einem Beitrag von 500 Euro kann man der Stiftung beitreten und die Vision vom guten multiethnischem Zusammenleben unterstützen.