Ein großer Präsident hat große Pläne mit seinem großen Land

George W. Bush will die US-Gesellschaft entschlossen umbauen: Der Staat soll Lebensrisiken nicht mehr absichern und Hilfe den religiösen Organisationen überlassen

WASHINGTON taz ■ George W. Bush mag es gerne groß. Große Visionen, großes Gottvertrauen, große Haushaltslöcher und große Pick-up-Trucks. Insofern ist er tatsächlich der Präsident von „Mainstream“-Amerika, wo nur allzu oft die Maxime gilt, big is better.

Nach dem Sieg ist vor allem Bushs innenpolitische Agenda weitaus ambitionierter als noch vor vier Jahren. Ob Steuer- oder Sozialpolitik – kleine Brötchen sollen fortan nicht mehr gebacken werden. Seine bislang zwar nur grob skizzierten Pläne könnten sich jedoch als das konservative Gegenstück zu Präsident Lyndon Johnsons „Great Society“ in den 1960er Jahren erweisen. Ging es damals darum, den Staat bei der Armutsbekämpfung, der Versicherung des Einzelnen gegen Lebensrisiken in die Pflicht zu nehmen, soll er nunmehr genau aus dieser Verantwortung entlassen werden. Ausgerechnet jener US-Präsident, der den Staat nicht verkleinerte, sondern aufgeblähte wie seit Johnson nicht mehr, will sich nun an den Abbau machen.

Als wichtigste Eckpunkte des großen Wurfes will er die Steuergesetzgebung vereinfachen, die bereits beschlossenen Einkommenssteuersenkungen verstetigen, Kranken- und Rentenversicherung privatisieren, das öffentliche Schulwesen reformieren und die Privatwirtschaft von lästigen Umweltregulierungen befreien. Bush vermeidet im Hinblick auf seine Sozialreformen wohlweislich den von Ökonomen benutzten Begriff „Privatisierung“. Angesichts einer unsicheren Wirtschaftssituation, der Angst vor zunehmender Jobverlagerung ins Ausland und explodierender Gesundheitskosten können sich viele Amerikaner für diese Idee nicht erwärmen. Die Transformation würde nach Expertenschätzungen überdies rund ein bis zwei Billionen US-Dollar kosten. Angesichts leerer Staatskassen und eines Schuldenberges verfügt die US-Regierung über wenig Spielraum.

Für Umwälzungen dieser Größenordnung benötigt Bush trotz solider Machtverhältnisse im Kongress die Unterstützung der Opposition. Deshalb beschwört er seit seinem Wahlsieg den Geist der Überparteilichkeit. Doch wenn die Demokraten eins gelernt haben, dann, dass sie dieser Rhetorik nur misstrauen können. Bushs Amtszeit und Wahlkampf waren nie darauf ausgerichtet, die gesellschaftliche Mitte zu erreichen, sondern die Wünsche der Rechtskonservativen zu erfüllen. Am Donnerstag hat er erneut klargestellt, dass er sich nicht als Brückenbauer versteht. „Ich strecke all denen die Hand aus, die unsere Ziele teilen“, sagte er. Bush sucht nicht den Kompromiss.

Da Bush den Wahlsieg vor allem der christlichen Rechten zu verdanken hat, steht er nun, viel stärker als 2000, in deren Bringschuld. Er könnte daher einen neuen Anlauf wagen, die Verfassung zu ändern und die Ehe als Institution zwischen Mann und Frau festzuschreiben. Zudem wird er neue Schulprogramme fordern, die sexuelle Enthaltsamkeit predigen. Und christliche Organisationen, die soziale Aufgaben wie Gefangenenbetreuung und Drogenberatung übernehmen, dürfen mit mehr Geld aus dem Staatssäckel rechnen.

Viele seiner radikalen Ideen können wahrscheinlich als das übliche Kraftstrotzen eines Wahlsiegers gewertet werden. Sie laufen zudem Gefahr, durch die absehbar starke Beanspruchung in der Außenpolitik in den Hintergrund gedrängt zu werden. Dennoch lässt Bush keinen Zweifel, dass er die unter Ronald Reagan begonnene konservative Umwälzung Amerikas unumkehrbar machen will. MICHAEL STRECK