RAG vor Extra-Gebühren

Ein Gutachten stuft das Grubenwasser des Bergbaus als Abwasser ein. Das könnte die RAG Millionen kosten

KAMP-LINTFORT taz ■ Noch schaltet die Ruhrkohle AG (RAG) teure PR-Aktionen für den Bergbau – in Zukunft könnte der Konzern das Geld womöglich für andere Dinge besser gebrauchen: Denn die Rheinberger Schutzgemeinschaft Bergbaubetroffener (SGB) hat ein Gutachten erstellen lassen, das für die Kohle richtig teuer werden könnte: Sie fordert, dass die RAG für das verschmutzte Grubenwasser der Bergwerke West in Kamp-Lintfort und dem stillgelegten Werk Niederberg in Neukirchen-Vluyn Abgaben zahlen soll – und zwar Abwassergebühren.

Hintergrund der Forderung: Über beide Werke waren radioaktive Anteile in den Rheinberger Altrhein und den Kanal Fossa Eugeniana gelangt. Zum Abwasserproblem der Zechen sagt der Düsseldorfer Verwaltungsanwalt Michael Terwiesche: „Bisher galt es als Grubenwasser, weil es beim Pumpen zu Tage nicht in ihrer Eigenschaft verändert wurde. Diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ging aber von unbelastetem Grubenwasser aus.“ Terwiesche ist auch Chef der FDP im Kreis Wesel, die den Bergbau in der Region vehement bekämpft .

Beim Bergwerk West werde das Grubenwasser im Vorfluter verdünnt und zur Fälligungsbeschleunigung das Flockungsmittel Praestol verwendet, das verändere die Eigenschaft des Wassers, so das Gutachten. Also liege doch ein Gesundheitsrisiko vor, folgert Terwiesche, zumal einige Gebiete mit Warnschildern versehen seien, die dazu rieten, das Gelände bis zum Abschluss der Untersuchungen nicht zu betreten. „Der Rheinberger Altrhein dient als Endlager für radioaktive Abfälle“, heißt es in dem Anschreiben der SGB an die Bezirksregierungen Arnsberg und Düsseldorf, denen das Gutachten zugegangen ist.

„Die zuständigen Behörden könnten nachträglich auferlegen, die Wässer vor dem Eintritt in die Oberfläche von radioaktiven Stoffen und Schwermetallen zu reinigen“, sagt Terwiesche. Diese Entscheidung liege aber im Ermessen der Bergbehörden – „es sei denn, eine Gesundheitsgefahr besteht und die Entsorgung ist machbar“, ergänzt Peter Lohe, einer der Sprecher der Initiative. „In Polen wird das bereits praktiziert.“ Auch im Uranbergbau in Sachsen und Thüringen werde das Uran herausgefiltert. „Was für Uran möglich ist, wird in anderer Form auch bei Radium gehen“, sagt Lohe. Die Schutzgemeinschaft fordert eine Sanierung der beiden Gewässer Fossa und Altrhein auf Kosten der RAG.

Dirk Jansen vom BUND NRW hält die ganze Sache „für einen sehr interessanten Gedanken“: „Sollte sich der Standpunkt des Gutachtens durchsetzen, wäre das dann auf den gesamten Steinkohlebergbau übertragbar.“

Vorsichtiger urteilt die Bezirksregierung Düsseldorf. „Bisher sind wir davon ausgegangen, dass es sich um Grubenwasser handelt. Wir prüfen die neuen Erkenntnisse“, sagt Jürgen Trapp von der Bezirksregierung. Die RAG-Mutter Deutsche Steinkohle (DSK) hat sich mit dem Gutachten noch nicht auseinandergesetzt. „Wir kennen das Gutachten nicht“, sagt DSK-Sprecher Ulrich Aghte. Die höchstrichterliche Rechtslage laute aber: „Grubenwasser ist kein Abwasser.“

ALEXANDER FLORIÉ