Scholl-Institut weg?

Bayern spart sich 10 Prozent der Hochschulen und sein wichtigstes Politikinstitut. 25.000 Studis protestieren

MÜNCHEN taz ■ Mag die Politik immer unübersichtlicher werden, Münchens Ludwig-Maximilians-Universität wird sich die Analyse und Lehre der Politik künftig wohl sparen. Das Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaften, formell das zweitgrößte Politikinstitut Deutschlands, steht vor dem Aus.

Rektor Bernd Huber reagierte auf die Wünsche seines Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) nach einem drastischen Rückbau der bayerischen Unis prompt. In München fallen dann „wahrscheinlich das Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft und die Informatik, Kunstgeschichte, Amerikanistik und eines der Theologiefächer weg“, sagte Huber.

Stoiber – Hochschulräuber

Allein in München gingen gestern mehr als 20.000 Studierende auf die Straße, um gegen die Kürzungen zu protestieren. In Würzburg und Erlangen waren es weitere 10.000. „Edmund Stoiber – Hochschulräuber“ war ihr favorisierter Spruch. Jeder Minister im Freistaat muss kommendes Jahr Einsparungen von zehn Prozent bringen – auch Wissenschaft, trotz vorgeblich höchster Priorität. Für die Maximilians-Uni bedeutet das ein Minus von 25 Millionen Euro oder den Wegfall von 600 Planstellen.

Das Geschwister-Scholl-Institut (GSI) hat das Pech, dass derzeit von acht Professuren fünf verwaist sind. Deswegen macht dort der zynische Akademiker-Kalauer von den „Leer-Stühlen“ die Runde unter rund 3.000 Politikstudenten. Sie haben sich daran gewöhnt, um Seminare wie um Magisterbetreuer zu ringen. Auch die versprochene Rückkehr des ehemaligen Kulturstaatsministers und GSI-Assistenten Julian Nida-Rümelin als Professor für Politische Philosophie ist fraglich. Den Ruf hat er, nur die Gespräche um die Ausstattung seines Lehrstuhls gestalten sich derart zäh, dass nun andere Spekulationen angestellt werden. Die Abwicklung des Geschwister-Scholl-Instituts könnte so etwas wie Rache der Politik an dessen Widerspenstigkeit sein.

Per Sondervotum sollte Heinrich Oberreuter, Leiter der Evangelischen Akademie Tutzing, ans GSI bugsiert werden. Er erhielt von Exwissenschaftsminister Zehetmair (CSU) einen Ruf – gegen die Mehrheitsmeinung von Universität wie Politikinstitut. Einige Ordinarien stießen Amigo-Vorwürfe aus, einer der ausgestochenen Kandidaten klagte gegen die Entscheidung und bekam Recht vom Verwaltungsgericht. Damit war die Idee eines CSU-Think-Tanks hinfällig – genau wie professoraler Nachwuchs fürs GSI. Alle Neubesetzungen wurden auf Eis gelegt.

Für den bekannten Parteienforscher Kurt Sontheimer, einem Emeritus des GSI, wäre es „verhängnisvoll, ein Institut zu schließen, das derart wichtig für die Gesellschaft ist“. Wo, wenn nicht dort könne die zunehmende Komplexität politischer Vorgänge untersucht und verstanden werden. Sontheimer sagte der taz, die Schließung des Instituts das „Ende einer verantwortungsvollen Hochschulpolitik“.

Auf rationale Politik freilich setzt kaum einer mehr an Bayerns Hochschulen, seit der neue Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) sein erstes Interview gab. Das Verfassen von Veröffentlichungen zähle er nicht zur Arbeitszeit von Professoren, sagte Goppel. Die Forscher sind nun ratlos, was denn eigentlich anderes ihr Job sein könnte, als ihre Erkenntnisse zu publizieren. Die mögliche Abwicklung des GSI kommentierte Goppel ähnlich antirational. Sie sei halt durch den Zufall begünstigt, der „es will, dass in einem Fach gerade viele Professorenstellen frei werden“. MAXIMILIAN HÄGLER