Investor macht das Licht aus

Für ein Grundstück an der Falckensteinstraße hat der Liegenschaftsfonds das Höchstgebot eines Investors erhalten, der auf dem Areal im Herzen Kreuzbergs ein Hotel plant. Der Protest dagegen wächst – denn noch ist dort der Club „Lux“

Ob Schloss oder Schwimmhalle, der Liegenschaftsfonds vermarktet Immobilien des Landes, die zum Verkauf stehen. Sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen können die Grundstücke und Häuser erwerben, die im Bieterverfahren, in Ausschreibungen oder in Direktvergabe veräußert werden. Der Liegenschaftsfonds ist seit dem Jahr 2001 am Markt tätig. Seitdem sind Immobilien für rund 1,7 Milliarden Euro verkauft worden, dem Landeshaushalt flossen rund 1,5 Milliarden Euro zu, die Bezirke erhielten eine Erlösbeteiligung von rund 180 Millionen Euro. taz

Ralph Borchert fühlt den Boden unter seinen Füßen wanken. Er wird ihm sozusagen weggerissen. Seit 1966 mietet seine Familie das Grundstück an der Falckensteinstraße. Spiralfedern ließ sein Großvater dort herstellen, sein Vater baute eine Halle, in der heute der Club „Lux“ ist. In dem Nachbarhaus, das der Familie samt Grundstück gehört, arbeiten selbstständige Handwerker und Künstler zu sozialverträglichen Mieten.

Mit dem Sozialverträglichen könnte bald Schluss sein. Das Land veräußert derzeit über den Liegenschaftsfonds das Gelände mit der Halle im Bieterverfahren. Das Höchstgebot von 800.000 Euro hat ein Investor abgegeben, der dort ein Hotel errichten will. Das wäre das Aus für den Club; Borchert fürchtet zudem, dass das Hotel sein Haus einkeilen könnte. Noch sei das Verfahren nicht abgeschlossen, beschwichtigt der Geschäftsführer des Liegenschaftsfonds, Holger Lippmann. Doch der Protest dagegen wird immer lauter. „Ein Hotel würde den Kiez definitiv verändern“, so Borchert.

Seit sein Vater 1976 die Halle baute, versuche die Familie, das Grundstück zu kaufen, erzählt Borchert. Da er langjähriger Nutzer sei, müsste das Areal eigentlich in Direktvergabe an ihn gehen. Doch das sei laut Liegenschaftsfonds nur möglich, wenn der Wirtschaftssenator der Nutzung eine für die Stadt außergewöhnliche Bedeutung beimesse. Der habe sein Votum dafür aber nicht gegeben.

Also beteiligte sich Borchert mit einem eigenen Projekt, dem „Oberbaumdreieck“, an dem Bieterverfahren. Er will die alte Halle abreißen und einen neuen Bau errichten. Auch der soll kulturell und zum Wohnen genutzt werden – mit moderaten Mieten wie bisher. Borchert wurde allerdings überboten.

Da einige Bewerber ähnlich hohe Angebote abgegeben hätten, gebe es eine weitere Runde, sagt Lippmann – um allen zu ermöglichen, ihr Gebot zu erhöhen. Borchert hat sein Angebot auf 850.000 Euro aufgestockt. Es sei nicht nachvollziehbar, schimpft er, „wieso ein nachhaltiges, lokales Projekt zugunsten einer ortsunspezifischen Hotelnutzung, die sich aller Voraussicht nach nur an der Renditeerwartung orientiert, trotz unserer höheren Gebotssumme vorgezogen werden sollte.“

Sehr fragwürdig findet auch Andreas Rieger den Verlauf des Verfahrens. Der Architekt hat mit einem Baugruppenprojekt mitgeboten, wurde kürzlich vom Liegenschaftsfonds allerdings informiert, dass er überboten wurde. Von einer weiteren Runde wisse er nichts. Rieger bewirbt sich seit fast zwei Jahren um das Gelände. Der Liegenschaftsfonds selbst sei vor einem Jahr auf ihn zugekommen, er solle das schwierige Grundstück doch in einem Projektplan entwickeln. Dass letztlich doch ein Bieterverfahren eröffnet wurde, ärgert ihn. Er und andere Architekten seien vorgeschickt worden, „das Grundstück interessant zu machen“. Selbst Baustadträtin Jutta Kalepki (parteilos), Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) und sogar Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) hätten noch vor einem Jahr sein Wohn-Gewerbe-Projekt favorisiert. „Wenn sich der Bezirk mehr eingesetzt und den Konflikt mit dem Liegenschaftsfonds und dem Finanzsenator nicht gescheut hätte, hätte man das Bieterverfahren verhindern können“, glaubt Rieger. Er bietet jetzt Ralph Borchert seine Hilfe an, damit wenigstens ein Projekt den Zuschlag bekommt, das im Kiez verankert ist. Hilfe erhält Borchert vom Bezirksbürgermeister: „Wir haben dem Fonds klargemacht, dass wir das Projekt von Herrn Borchert deutlich favorisieren“, so Schulz. Aber schon länger stünde seine Verwaltung im Konflikt mit der Senatsverwaltung für Finanzen – die denke nicht an die Entwicklung der Bezirke, sondern nur an Gewinnmaximierung.

Architekt Rieger fragt sich, ob ein Hotel überhaupt realisiert würde: Angesichts des Überangebots in der Stadt dürfte es derzeit schwierig sein, Kredite zu bekommen. Der Liegenschaftsfonds gebe letztlich dem Bestbietenden den Zuschlag, wenn dieser denn auch glaubwürdig seine Bonität nachweisen könne, erklärt Liegenschaftsfonds-Sprecherin Irina Dähne.

Auch wenn das der Hotelinvestor sein sollte, muss das noch nichts heißen. Rieger ist sicher: „Der Fall wird auf dem Parkett der Politik landen.“ Und außerdem: Schräg gegenüber an der Schlesischen Straße sei der Liegenschaftsfonds schon mal baden gegangen. Dort wollte ein Investor ein Hochhaus bauen, scheiterte aber an den ansässigen Dönerbudenbesitzern. Schließlich haben sie das Grundstück gekauft.

GRIT WEIRAUCH, MAREN KELLER