Groteske Familie

Der Liedermacher als Erzähler: Franz Josef Degenhardt liest im Polittbüro aus dem Buch „Für ewig und drei Tage“

Satte 47 Alben hat er seit 1963 aufgenommen und ist auch heute noch, inzwischen immerhin 72 Jahre alt, munter auf Konzerttouren unterwegs. Verglichen mit dieser Bilanz sind die literarischen Machenschaften von Franz-Josef Degenhardt eher gering – Für ewig und drei Tage ist das siebte Buch des kommunistischen Liedermachers –, aber nicht weniger hörenswert.

Der 1999 veröffentlichte Roman handelt von einem großbürgerlichen Familienclan, der im westfälischen eine ganze Stadt und Region dominiert. Anlässlich der Feiern zum 95. Geburtstags des Clan-Patrons versammelt sich auf der über der Stadt gelegenen Lindenburg die im Gelderwerb zusammengehaltene Großfamilie, in der Anwälte, Ärzte, Immobilienhändler, Gärtnereibesitzer, Baulöwen und ein Erzbischof in familiärer Verbundenheit mit einer ehemaligen RAF-Terroristin, einem pädophilen Bruder und einer die „Wundmale des Herrn“ tragenden Schwester miteinander feiern. Onkels, Brüder, Tanten, Schwestern, Cousinen, Neffen und allerlei anderes Verwandtschaftsvolk versammelt Degenhardt zu einem bunten, manchmal grotesken, immer wieder überraschenden und alles in allem kuriosen Szenario voller Intrigen, Verwicklungen und Ereignissen, die schlaglichtartig auch die politischen Geschehnisse des letzten Jahrhunderts streifen. Vom Ersten Weltkrieg über Weimar, Faschismus, Zweitem Weltkrieg bis hin zum Moskauer Putsch 1991 spannt sich deutsche und Familiengeschichte.

Im Rahmen der „Vers- und Kaderschmiede“, die Thomas Ebermann im Polittbüro am Steindamm betreibt, wird Degenhardt nicht nur aus diesem Buch lesen, sondern natürlich auch – wie es sich gehört – einige seiner Lieder singen.

Für diejenigen, die meinen, das sei vielleicht etwas zu trocken: Ab Dienstag gastiert Die Popette Bentacor im Polittbüro und haut einem den “Sitzclub (elektrisch)“ um die Ohren. Tief versunken zwischen Schlager und Popmusiken geht sie der drängenden Frage nach, was „der Mensch denn eigentlich so treibt“. Dirk Seifert

Franz-Josef Degenhardt: heute, 20 Uhr. Die Popette Betancor: 25–30.11., 20 Uhr, Polittbüro