Streit um Nachtragshaushalt

Das Millionenloch ist gar keines, so das Finanzressort, also muss das Parlament auch nicht drüber befinden. CDU fordert Nachtragsetat, Grüne verlangen Aufklärung

Das Loch, so die Argumentation des Finanzressorts, ist kein Loch – und alles ist gut

Bremen taz ■ Einen erneuten Nachtragshaushalt hat gestern der finanzpolitische Sprecher der CDU, Helmut Pflugradt, gefordert. Einige Ressorts, insbesondere Soziales, seien „eklatant von dem vom Parlament beschlossenen Haushalt abgewichen“. Das sieht das Finanzressort anders. Einen Nachtragshaushalt wird es nicht geben – das zumindest wird der Senat am Dienstag beschließen.

Ein solcher Haushalt – ein parlamentarischer Auftrag an die Exekutive, Haushaltslöcher durch Kredite zu stopfen – sei weder rechtlich möglich noch nötig, heißt es in der Vorlage aus dem Hause des Finanzsenators: Ein Nachtragshaushalt sei keine Gesetzesvorschrift, sondern es sei ins „pflichtgemäße Ermessen der Regierung gestellt, wann sie einen Entwurf für einen Nachtragshaushalt aufstellt“. Außerdem seien „sämtliche absehbare Mindereinnahmen“, nämlich 27 Millionen Euro sowie weitere Mehrausgaben bei den Sozialleistungen in Höhe von zehn Millionen Euro, abgedeckt – durch ein Steuerplus von 47 Millionen Euro. Das Loch, so die Argumentation des Finanzressorts, ist kein Loch, und alles ist gut.

Das findet CDU-Mann Pflugradt überhaupt nicht. Zwar kennt er die Vorlage, aber sie beeindruckt ihn nicht. „Wenn man solche erheblichen Abweichungen vom Etat hat, muss das Parlament entscheiden“, betont er. Für ihn, so Pflugradt, sei das „nicht so sehr eine rechtliche, sondern eher eine politische Frage.“

Die grüne Fraktionschefin Karoline Linnert sieht das anders. Es gebe, formuliert sie, „keine Zustimmung der Grünen zu einem Verzicht auf einen Nachtragshaushalt.“ Linnert will erstmal Zahlen und rechtliche Abwägungen sehen. Das habe sie vom Finanzressort seit Wochen gefordert. Solange sie nicht wisse, welche rechtlichen Erfordernisse oder Konsequenzen der Nachtragshaushalt mit sich bringe, könne sie sich keine Meinung bilden. Nur soviel: „Die Frage, ob ein Haushalt ausgeglichen ist, ist nicht das einzige Kriterium für die Notwendigkeit eines Nachtragshaushaltes.“ Sie wisse nicht, ob es nicht beispielsweise größere Verschiebungen zwischen Landes- und Stadthaushalt gebe. „Mein Eindruck ist außerdem, dass das Ressort einen Nachtragshaushalt auch deshalb ablehnt, weil er zeitlich gar nicht mehr möglich ist.“ Denn das Parlament, so will es das Gesetz, müsste ihn noch in diesem Jahr bewilligen. Das aber wird knapp.

Pflugradts Manöver wertet Linnert als „ziemlich durchsichtiges Spiel“. Denn wesentliches Ziel von Pflugradts Attacke ist SPD-Sozialsenatorin Karin Röpke, habe sie ihren Etat doch um 50 Millionen überzogen. 30 Millionen davon sind allerdings seit Sommer bekannt und eingeplant, weitere 20 Millionen sollen durch neue Einsparungen um die Hälfte reduziert werden (taz berichtete), so dass unterm Strich zehn Millionen Mehrausgaben bleiben. Genau um diese zehn Millionen soll übrigens selbiger Helmut Pflugradt gezockt haben: In der Vorbesprechung des Haushalts- und Finanzausschusses, die das Sozialdefizit zum Thema hatte, soll er erklärt haben, er werde dem Mehrbedarf des SPD-Ressorts nur zustimmen, wenn es dasselbe Mehr an Geld auch für ein schwarzes Ressort gebe. „Wie auf dem Flohmarkt“, sagt ein Beobachter. Pflugradt antwortet auf die Frage, ob es so war oder nicht, lediglich: „Ich kommentier‘ doch nicht jede Anekdote.“ sgi