berliner szenen Zukunftschance Trance

Die Geister, die ich rief

Früher haben fragwürdige SpiritistInnen geglaubt, dass sich einem die Handfläche dunkel färbe, wenn man aus Versehen den Geist eines Toten oder einer Toten berührt. Was, jedenfalls nach jenem fragwürdigen spiritistischen Ansatz, oft passieren könnte: Schließlich müsste die Luft um uns herum pickenpackenvoll von Geistern sein.

Aber Schluss mit dem Humbug. Wenn man dieser Tage wieder eine Menge dunkel gefärbter Handflächen sieht, so liegt das an den Kohlen, die diese Menschen aus ihren Kellern fluchend und ächzend in die vierten Etagen schleppen, um dort daraus das zu gewinnen, was nur Neu-BerlinerInnen und Touristen als „so schöne Wärme“ bezeichnen. Wer schlau ist, der freut sich über Heizlüfterwärme, trockene, verlässliche Temperaturen, die einen nur zur Mumie ausdörren, wenn man die ganze Nacht bewegungslos davor liegen bleibt und vorher ein paar Kannen Brennnesseltee getrunken hat.

Zurück zum Thema Geister: Seit einiger Zeit schon versuche ich, mir ein zweites Standbein als Trancemedium aufzubauen. Falls das mit den Zeitungstexten mal nicht mehr hinhaut. Ich glaube zwar kein Stück an Geister, aber das muss man auch gar nicht. Wichtiger ist, dass man blass aussieht und still sitzen kann (kein Problem). Ich wäre auch bereit, bei einer Séance ein bisschen Ektoplasma zu spucken, je nachdem, was der Auftraggeber gespuckt haben möchte. Sogar einen Ausbildungsplatz habe ich gefunden: Vielleicht heuere ich einfach als Praktikantin bei der Verrückten an, die vorgestern Nacht in einer Kreuzberger Kneipe meine Hände festhielt und sagte: „Ich weiß, was du früher warst.“ „Arm?“, fragte ich verwirrt zurück. „Nüchtern“, sagte sie weise. Stimmt ja auch irgendwie. JENNI ZYLKA