Frankreichs Regierung raucht der Kopf

Wegen drastischer Anti-Raucher-Politik rufen die Tabakhändler heute zur Großdemonstration auf und drohenmit der Gründung einer eigenen Partei. Im Januar sollen Zigaretten noch einmal 20 Prozent teurer werden

PARIS taz ■ „Ich will, dass es keine Raucher mehr in Frankreich gibt“, hatte Gesundheitsminister François Mattei erklärt. Und diese Absicht in einen überzeugend gemeinten Feldzug umgesetzt: Zigarettenschachteln sind mit Sprüchen wie „Rauchen tötet“ und „Rauchen macht impotent“ dekoriert. Der Verkauf von Tabak an Jugendliche ist verboten. Und die Preise wurden so oft erhöht – allein dreimal in diesem Jahr –, dass Zigaretten in Frankreich inzwischen teurer sind als in jedem Nachbarland.

Doch damit hatte der Gesundheitsminister schon im Oktober einen Aufstand der 33.000 staatliche konzessionierten Tabakhändler provoziert. Als damals die jüngste Erhöhung der Tabaksteuer in Kraft trat, befolgten 95 Prozent den ersten Streikaufruf in der Geschichte ihres Gewerbes. Heute findet eine landesweite Demonstration in Paris statt.

Die Tabakmonopolisten mit staatlicher Lizenz, staatlicher Ausbildung und staatlichen Renten verlangen, dass die für Januar 2004 geplante Erhöhung der Tabaksteuer um weitere 20 Prozent zurückgenommen wird. Für ein Paket Zigaretten, das gegenwärtig in Deutschland 2,60 Euro und in Spanien 2,50 Euro kostet, wären dann in Frankreich 5,50 Euro zu berappen. „Mindestens 8.000 grenznahe Tabakhändler werden Pleite gehen“, prognostiziert der Präsident der nationalen „Buralisten“-Vereinigung, René Le Pape. Auch der Tabakschmuggel, der jahrzehntelang in Frankreich beinahe unbekannt war, feiert angesichts der Preisunterscheide in den EU-Ländern gegenwärtig fröhliche Urständ.

Angesichts dieses Drucks kommt der Staat den Tabakhändlern entgegen: Ab Januar wird ein Ausgleich für Einkommensausfälle wegen zurückgehender Verkäufe gezahlt. Zudem dürfen die Händler künftig acht statt bisher sechs Prozent des Kaufpreises einbehalten. Entscheiden ist aber die Zusage, dass die Tabaksteuer ab Januar 2004 vier Jahre lang nicht mehr erhöht werden soll. Die Subventionen kosten die Steuerzahler, Nichtraucher inklusive, mindestens 130 Millionen Euro pro Jahr – mehr als zwei Drittel der Zusatzeinnahmen durch die jüngste Steuererhöhung.

Derart durchschlagenden und schnellen Erfolg haben Protestbewegungen sonst eher selten. Das Erfolgsrezept der Tabakhändler, die politische mehrheitlich am rechten Rand angesiedelt sind, ist die Drohung mit ihren täglich 11 Millionen Käufern. „Wir sind Meinungsmacher, unsere Kunden werden sich an der Wahlurne erinnern, sagt der Präsident der Tabakhändlervereinigung Paris, Gérard Bohely, und droht unverholen damit, eine eigene Partei zu gründen. Vorbild sind dabei die Jäger, die regelmäßig bei Wahlen mehrere Millionen Stimmen bekommen.

Auch Jean-Marie Le Pen, Chef der rechtsextremen Front National, hat das Potenzial der Tabakhändler, die zugleich häufig eine Kneipe betreiben, erkannt. In einem Brief hat er ihnen versichert, es sei nicht einzusehen, dass sie für eine „Gesundheitspolitik büßen müssen, hinter der vor allem die Begehrlichkeit des Fiskus steht“.

Der Kampf gegen den Tabak und die Folgen, an denen in Frankreich mehr Menschen sterben als in jedem anderen Land der EU, ist eines der erklärten Ziele von Staatspräsident Jacques Chirac.

Doch bislang geben weiterhin die 15 Millionen Raucher den Ton an – nicht nur in den Kneipen, sondern auch in den nobelsten Institutionen der Republik. Im Senat beispielsweise, der zweiten Kammer des französischen Parlaments, musste sich ein Angestellter, der auf Einhaltung des Rauchverbots bestand, von den Abgeordneten schriftliche Liebenswürdigkeiten dieser Art gefallen lassen: „Ihre Obsession ist krankhaft“, hieß es da, und: „Wenn es Ihnen nicht passt, können Sie ja gehen.“

DOROTHEA HAHN