Landflucht der Azubis

Auf den Höfen in NRW bleiben wieder viele Lehrstellen unbesetzt. Die Ausbildung in der Landwirtschaft ist bei vielen Jugendlichen unbeliebt – eine Imagekampagne soll helfen

VON SALVIO INCORVAIA

Die Arbeitsplätze rund um den Bauernhof werden immer unbeliebter: Trotz Lehrstellenmangel streben nur wenige Jugendliche in Nordrhein-Westfalen eine Berufsausbildung in der Landwirtschaft an. „Wir suchen immer motivierten Nachwuchs, um sie zu qualifizierten Fachkräften ausbilden zu können“, sagt Bernhard Rüb, Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW. Zu Beginn eines jeden Ausbildungsjahres gebe es einen großen Lehrlingsmangel, selbst im November seien noch Ausbildungsstellen unbesetzt geblieben.

Nach Ansicht der Kammer gibt es auf dem Land für Jugendliche noch Perspektiven. Weil viele Bauernhöfe vom Familien – zum Großbetrieb wachsen, werden Fachkräfte gesucht. Doch die Ausbildungszahlen sind gegensätzlich: Haben im Jahr 2001 beispielsweise noch 361 junge Leute eine Abschlussprüfung zum Landwirt absolviert, waren es 2004 nur noch 301.

Immer wichtiger wird die Förderung des Nachwuchses für die junge Landwirtschaftskammer NRW. Sie entstand erst am 1. Januar 2004 als Nachfolgerin der Kammern Rheinland sowie Westfalen-Lippe. Die Kammer soll die Landwirtschaft fördern, den ländlichen Raum stärken, sowie auf Nachhaltigkeit und eine artgerechte Tierhaltung hinwirken. Doch vor allem anderen drängt das Ausbildungsproblem.

Reagieren wollen auch die beiden Landwirtschaftsverbände in NRW: „Wir haben im Rheinland besonders im Gartenbaubereich noch Wachstumspotenzial und entsprechende Lehrstellen frei“, sagt Stefan Sallen, Sprecher des rheinischen Landwirtschaftsverbandes. Auch in anderen Berufszweigen gebe es noch freie Ausbildungsstellen. Der Rheinische Landwirtschaftsverband und der Verband in Westfalen-Lippe haben nun damit begonnen, auf Ausbildungsperspektiven hinzuweisen:

Landwirtschaftsberufe wirkten bei vielen Jugendlichen noch abschreckend – wenig Aufstiegschancen, körperliche Arbeit und wenig Aussichten auf eine gesicherte Anstellung nach der Lehre prägen die Vorbehalte. Auch lange Anfahrtszeiten zum Ausbildungsort werden als weiteres Problem genannt. Mit einer Imagekampagne wollen beide Landwirtschaftsverbände die Berufe in der Landwirtschaft aufmöbeln:

Besonders auf die modernen Aspekte der dreijährigen Ausbildung und die Stellensicherheit soll vermehrt aufmerksam gemacht werden. „Die Landwirtschaft bietet immerhin sichere Arbeitsplätze, die nicht ins Ausland verlagert werden können“, sagt Thomas Schlamann, Sprecher des Landwirtschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Gerade im Fleisch-Veredelungsbereich und der Pferdezucht werde es in Westfalen Zukunft große Wachstumschancen mit weiteren Arbeitsplätzen und Lehrstellen geben.

Um die Neugier der Jugendlichen zu wecken, richten beide Verbände und die Landwirtschaftskammer NRW vom 26. bis 28. November in Bad Sassendorf-Oestinghausen so genannte „Berufsorientierungstage“ aus. Mit dem Motto „Grüne Berufe sind voller Leben“ soll eine Ausbildung als Landwirt, Gärtner, Pferdewirt, Tierwirt, Forstwirt, Molkereifachmann, Milchwirtschaftlicher Laborant, Tischwirt oder den Beruf des Hauswirtschaftlers schmackhaft gemacht werden. Experten sollen über Ausbildung, Weiterbildung und den landwirtschaftlichen Arbeitsmarkt möglich anschaulich informieren. Auch Azubis sollen über ihre Erfahrungen berichten.

Die Imagebemühungen sind nicht grundlos. Denn der agrarische Arbeitsmarkt ist in NRW beachtlich: Landesweit sind haupt- und nebenberuflich etwa 147.000 Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt. Dabei bewirtschaften 54.531 Betriebe rund 1.722.000 Hektar Nutzfläche mit 28 Prozent Grünland. 45 Prozent der Bauernhöfe sind hauptgewerbliche Betriebe. Acht Berufskollegs bieten Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten an.

Auf eine größere Ausbildungs-Nachfrage im kommenden Jahr hofft nun die Landwirtschaftskammer NRW und lockt mit Schnupperpraktika. Sprecher Bernhard Rüb sagt: „Unser Nachwuchs sollte neben Kenntnissen zur Tier- und Pflanzenkunde auch technische und kaufmännische Fähigkeiten mitbringen.“ Das Ausbildungsniveau und die Berufsmöglichkeiten auf dem Land würden noch immer unterschätzt.