Mit Vollgas in die neue Session

Der schwul-lesbische Karneval kommt trotz interner Querelen in dieser Session mit einem vielfältigen Angebot daher. Die Neugründung „Röschen-Sitzung“ feiert sich mit dem Motto: „Ein Kessel Tuntes“

Von Thomas Spolert

Zum Sessionsauftakt in Köln gibt es Krach im schwul-lesbischen Karneval. Helmut Sohnle, Produzent der bekannten „Rosa Sitzung“, hat die Rechte an dieser alternativen Karnevalsveranstaltung ohne das Wissen seines Sitzungsensembles verkauft. „Als ich davon erfuhr, war ich sprachlos“, kommentierte Sitzungspräsidentin Marion Radtke den Coup. Auch die anderen Mitglieder des Ensembles sind verbittert. „Das ist menschlich keine Art“, empörte sich Bernd von Fehrn.

Da der WDR die „Rosa Sitzung“ nicht mehr übertragen wollte, stand die alternative Karnevalssitzung zehn Jahre nach ihrer Gründung vor dem Aus. Die Kölner Produktionsfirma „Stage Division“ kaufte daraufhin Produzent Sohnle die Rechte ab. Künftig organisiert die Agentur das traditionsreiche Spektakel unter dem Label „Neue Rosa Sitzung“ im Palladium.

Aber von der schwul-lesbischen Sitzung, die zuletzt im Limelight zu Hause war, bleibt wohl nicht viel übrig. Mit großen Anzeigen in Szeneblättern werben die neuen Veranstalter für ihr Konzept mit „mehr Musik“ und „internationalen Stars“. Vom alten Ensemble ist keiner dabei. „Aus dem einstigen schwul-lesbischen Kontrapunkt zum traditionellen Karneval soll nunmehr ein groß angelegtes Partyevent werden“, schimpft denn auch das Team der ehemaligen „Rosa Sitzung“ in einer Pressemitteilung. Die Veranstaltung sei ein Etikettenschwindel.

Doch die schwul-lesbischen Jecken müssen in der kommenden Session nicht in Sack und Asche gehen. Das Angebot für karnevalsbegeisterte Lesben und Schwule ist groß. Der rosa Sitzungskarneval hat bereits Nachwuchs: „Röschen-Sitzung“ heißt das neue Kind. Und die Eltern sind die KünstlerInnen aus der Stammmannschaft der ehemaligen „Rosa Sitzung“. An sechs Terminen im Januar laden die rosa Karnevalisten im Mülheimer Kulturbunker zu einer „unkonventionellen“ Sitzung ein. Unter dem Motto „Ein Kessel Tuntes“ wollen die alten Hasen des Homo-Karnevals zurück zu den Ursprüngen und versprechen ein kabarettistisches und musikalisches Ensembleprogramm. „Wir wollen mit der Narrenkappe die schwul-lesbische Szene und das Geschehen in Köln aufs Korn nehmen“, verrät Marion Radtke.

Ebenfalls in Mülheim zu Hause sind die Rosa Funken. Bereits zum zweiten Mal feiert Kölns erster schwuler Karnevalsverein seine Kostümsitzung in der Stadthalle. Im Gegensatz zur neuen „Röschen-Sitzung“ versuchen die schwulen Jecken den Brückenschlag zwischen traditionellem und alternativem Karneval. Der rosa Elferrat begrüßt daher sowohl Vertreter des traditionellen Karnevals als auch schwul-lesbische Jecken auf seiner Bühne. Während hochkarätige Künstler aus dem „Hetero-Lager“ schon lange gebucht sind, werden die Szene-Künstler am kommenden Samstag erst gecastet. Die Uhren der Rosa Jecken ticken halt noch anders.

Lange unsicher war, ob im „Gloria-Theater“ in der Apostelnstraße wieder das schwul-lesbische „Aloha“ zu hören ist. Doch auch hier haben die rosa Karnevalsfreunde an fünf Terminen im Januar Gelegenheit, auf der „Gloria-Sitzung“ zu schunkeln und sich selbst zu feiern. Künstler aus dem rosa Karneval bestimmen das Programm. Als Karnevalsbonbon kommen jeden Abend Stars aus dem herkömmlichen Karneval auf die Gloria-Bühne.

Wer lieber tanzen will, kommt auch in der Szene auf seine Kosten. Die schwule StattGarde „Colonia Ahoj“ veranstaltet in dieser Session ebenso wie die „Jecken Lesben“ erstmals einen Kostümball. Bereits seit neun Jahren kann man die schönsten und aufwändigsten Kostüme beim „Rosa-Funken-Ball“ bewundern. Und wer nichts mit dem organisierten Szene-Karneval am Hut hat, der feiert die fünfte Jahreszeit ganz klassisch in den zahlreichen Szenekneipen. Schließlich gilt auch für die Homos in Köln: Jeder Jeck is anders.