Die Sucht nach Sicherheit

Im Weinbergspark in Mitte wird seit Jahren offen mit Drogen gehandelt. Eine Anwohnerinitiative will nun dagegen vorgehen. Die Polizei fordert bei einem Kiezgespräch Engagement und Besonnenheit

VON OLIVER MARQUART

Wer Lust auf einen Joint, aber gerade kein Dope hat, der fährt in die Hasenheide, zum Boxhagener Platz oder eben in den Weinbergspark in Mitte. Doch der dort seit vielen Jahren betriebene offene Straßenverkauf hat zur Folge, dass arglose Spaziergänger teilweise aufdringlich vorgetragene Verkaufsangebote über sich ergehen lassen müssen.

Genau das stört nun die im November 2003 gegründete Initiative Weinbergspark. Am Dienstagabend lud sie mit der Polizei und dem Präventionsrat Mitte zum Kiezgespräch. Nach Ansicht von Initiativensprecherin Angelika Wichert sind die Probleme im Park drastisch gewachsen. Durch die Präsenz der Dealer hätten andere Straftaten wie Diebstahl und Körperverletzung zugenommen. Persönlich seien sie und ihr Bekanntenkreis von derartigen Vorfällen zwar bisher verschont geblieben. Der Polizeibericht spreche aber eine deutliche Sprache.

Laut Polizeirat Andreas Suhr wurde seit September 2003 tatsächlich ein Anstieg der so genannten Begleitkriminaltität rund um den Park verzeichnet. Allerdings sei diese zuvor gar nicht erfasst worden. Mit 300 Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz sei der Weinbergspark Berliner Spitze. Zudem hätten in der Vergangenheit vor allem Schwarzafrikaner mit weichen Drogen gedealt, nun verkauften Araber dort auch Heroin und Kokain.

Dennoch betonte Suhr, grundsätzlich könne man ohne größere Bedenken durch den Park laufen. Bei den Bürgern gebe es offenbar ein „übersteigertes Sicherheitsbedürfnis“. „Es würde keinen jucken, wenn in seiner Nachbarschaft 200 Schwerstkriminelle aus dem Bereich Wirtschaftskriminalität wohnen würden, weil er das gar nicht mitbekommt.“ Übergriffe auf Anwohner habe es bisher nicht gegeben. Trotzdem plädierte er dafür, den Park ordentlicher und sauberer zu gestalten. Erreichbar sei aber bestenfalls eine Verdrängung der Szene in andere Kieze. Die findet bereits statt. In letzter Zeit wickeln immer mehr Dealer ihre Geschäfte auf der benachbarten Kastanienallee in Prenzlauer Berg ab.

Die Polizei riet den Anwohnern vor allem zu eigenem Engagement. Verstöße sollten umgehend angezeigt werden. Zudem sollten die Bürger den Park durch Aktivitäten wie Grillen oder gemeinsames Joggen „zurückerobern“. Das erscheint Parkkennern aber wenig erfolgversprechend. Beim kleinsten Sonnenstrahl ist die dortige Liegewiese dicht bevölkert. Die Dealer weilen derweil im Schatten der Bäume. Der Forderung nach einer Bürgerwehr, die in einem ausliegenden Flugblatt der Partei Rechtsstaatlicher Offensive auftauchte, wurde dennoch eine klare Absage erteilt, ebenso der von einigen Anwohnern geforderten Videoüberwachung des Parks.

Neben vielen sehr besorgten Einschätzungen der etwa 60 erschienenen Anwohner gab es aber auch Stimmen wie die von Stefan Schneck, dem der Pavillon am Weinbergspark gehört: „Die Angst ist übertrieben. Meine 50 Angestellten gehen zu Unzeiten durch den Park und niemand ist bisher etwas passiert.“