Dem Wald hilft nur noch Beten

Der Berliner Wald ist deutlich stärker geschädigt als noch im letzten Jahr. Konsequenz: Gesunde Bäume müssen aus Rheinland-Pfalz importiert werden

VON TORBEN IBS

Wenigstens über einen prachtvollen und kerngesunden Baum können sich die BerlinerInnen in diesen Tagen freuen: eine aus dem pfälzischen Otterberg importierte Nordmann-Tanne, die seit gestern den Breitscheidplatz schmückt (siehe Foto). Ansonsten geht es den Bäumen im Berliner Wald ziemlich dreckig. Laut dem gestern veröffentlichten Berlin-Brandenburger Waldzustandsbericht sind 40 Prozent aller Waldbäume des Landes stark geschädigt. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Zuwachs von 15 Prozent. Als Schuldige benennt der Bericht den trockenen Sommer, aber auch den Klimawandel und die Luftverschmutzung durch den Autoverkehr. Nur bei rund 13 Prozent der Bäume zeitigt der Dauerstress überhaupt keine Wirkung.

Dabei geht es den Berliner Tannen noch nicht einmal am schlechtesten. Laubbäume wie Eichen und Buchen sind wesentlich stärker von den Schädigungen betroffen als ihre Nadeln tragenden Leidensgenossen. Präsentierte sich im Jahr 2003 noch jede zweite Eiche ohne Schäden, muss man nach solchen Exemplaren heute suchen. Nur jede fünfte gilt noch als gesund.

Den Handlungsbedarf hat die Politik immerhin erkannt. Anfang nächsten Jahres will Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) einen Luftreinhalteplan vorstellen. Dessen Umsetzung soll den Ausstoß von Stickoxiden um ein Drittel senken – bis zum Jahr 2010. Erreicht werden soll dies unter anderem durch die verstärkte Förderung emmisionsarmer Fahrzeuge. Ob solche Instrumente nicht nur ungefilterte heiße Luft produzieren, bleibt fraglich. Die BVG etwa schafft im kommenden Jahr 160 Busse an, die schon ab 2006 der dann geltenden, schärferen Euro-4-Abgasnorm nicht mehr genügen werden.

BrandenburgerInnen können derweil noch genussvoll durch ihre Wälder spazieren. Hier beträgt die Schädigungsrate lediglich 13 Prozent. Allerdings besteht der märkische Wald größtenteils aus nahezu unverwüstlichen Kiefernplantagen. Moralisch steht Berlin da auf der besseren Seite: Der Hauptstadtwald wird nach den strengen Kriterien des Forest Stewardship Council (FSC) bearbeitet. Danach müssen Waldflora und -fauna durch den Verzicht auf schweres Gerät und die Beschränkung auf wenige Erschließungswege geschont werden. Auch Pferde kommen des Öfteren statt motorisierten Geräts zum Einsatz.

Geholfen hat das dem Wald bisher wenig. Glaubt man Reinhard Kallweit von der Landesforstanstalt Eberswalde, ist sogar der Umweltschutz mit schuld am bedauernswerten Zustand des Berliner Waldes: Zwar haben sich Stick- und Schwefeloxide in den letzten Jahren deutlich verringert, aber auch industrielle Staubteilchen seien weniger geworden. Weil diese Stäube einen Teil der anderen Emissionen absorbierten, sei die Belastung unterm Strich so hoch wie zuvor.

Infos: www.stadtentwicklung.berlin.de/forsten/waldzustandsbericht2004