protestierende studierende 2003
: Der Ersti und der Supi

Die Studierenden sind wieder auf der Straße. In Deutschland. In Frankreich. Gestern demonstrierten sie in Berlin gegen die Hochschul-Sparpläne. Was bewegt die Protest-Studenten 2003?

TYP 1: Der undogmatisch-engagierte Erstsemester. Zu Beginn seiner dritten Uniwoche gerät er unversehens in den Strudel der Ereignisse. Eigentlich will er die Kunstgeschichtsvorlesung oder das Politikseminar besuchen. Doch der Weg ins Gebäude ist von Rastas und Transpis verstellt. Etwas verschüchtert steht er da, bis ihm jemand ein „Flugi“ in die Hand drückt. Neben der Aufforderung „Daimler-Chrysler enteignen!“ steht der Termin der „studentischen VV“ darauf. Was eine VauVau sei, fragt der Ersti den Rasta mit dem Flugi. „Eine Versammlung aller StudentInnen, um unsere Rechte wahrzunehmen“, sagt der. Das löst im Ersti das Bedürfnis nach „etwas tun“ aus. Schließlich ist er zum kritischen Menschen erzogen worden. Er mag Attac, findet Globalisierung fragwürdig und die USA noch fragwürdiger – trotz Auslandsjahr auf einer texanischen Highschool. Am Ende der Veranstaltung meldet er sich für die „AG Plakate malen“. Obwohl er „nicht mit allem einverstanden ist, was die vom Asta so sagen“, bleibt er bis zum Streikende dabei. Schließlich wird er in neun Semestern Studium nur zwei Streiks erleben.

Typ 2: Der supi Uni-Kenner, der nach 36 Semestern Soziologie, Philosophie, alter Geschichte und zwei Nebenfächern noch nicht weiß, ob die „wirklich was für ihn sind“. Trotzdem lobenswert, weil er in seiner Fachschaft, im Studiparlament und im Asta total engagiert ist. So hat er verhindert, dass im autonom verwalteten Studicafé „Schweinebucht“ Aldi-Bohnen aufgebrüht werden. Zu schaffen machen ihm Jura-/BWL-Systemkarrieristen. Die nehmen seine Forderung nach einer Diskussion über die „Kapitalakkumulation unter besonderer Berücksichtigung des spätindustriellen Kritikbegriffes“ nicht ernst.

Der Unistreik ist für ihn die Erlösung. Transpis und Sprechchöre als Widerschein der revolutionären Morgendämmerung machen ihn glücklich. Wenn er mit seinem Transpi vor besetzten Gebäudetüren steht, ist er sogar gegen studierwillige Kommilitonen resistent, die ihm vorwerfen, Lobbyarbeit in eigener Sache zu betreiben. Schließlich verhindert sein Protest gegen GebührInnen für LangzeitstudentInnen, dass an den Unis williges Humankapital herangezüchtet wird. Da war er schon als Erstsemester dagegen. Bei seinem ersten Streik. 1989. RUDI NOVOTNY