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Es reicht! Ab nach Hause!

Wer Geld hat, aber in Deutschland keine Steuern zahlt, gilt als unpatriotisch. In allen politischen Lagern. Die Stimmungsmache ist nicht nur unappetitlich, sondern Zeichen politischer Hilflosigkeit

VON HANNES KOCH

Reiche müssen sich neuerdings beschimpfen lassen. Sie seien nicht deutsch genug, heißt es. Aus der Mitte der Gesellschaft wird dieser Vorwurf vorgetragen, nicht vom rechten Rand. Reich zu sein und sich entsprechend zu verhalten ist nicht mehr selbstverständlich. Es ist viel schlimmer, als auf blitzblanken ICE-Bahnhöfen zu rauchen und die Kippe auf den weißen Fliesen auszutreten.

Ganz besonders geraten Vermögende in Schwierigkeiten, wenn sie ihr Geld ins Ausland schaffen und es den deutschen Finanzämtern vorenthalten. Dabei geht es gar nicht um kriminelle Praktiken und klandestine Fahrten zur Bank des Vertrauens nach Luxemburg. Es geht auch nicht um Gewinne aus Kinder-, Waffen- oder Drogenhandel, die gewaschen werden müssten. Zur Diskussion steht der vollkommen legale Transfer, der mit keinem Gesetz kollidiert.

Medien, von denen man eigentlich mehr Taktgefühl erwartet, veröffentlichen inzwischen detaillierte Listen mit den Namen von Steuerflüchtigen, Aufenthaltsort und Summe des exportierten Kapitals. So lässt die Zeitschrift DMEuro ihre Leser wissen, dass Curt G. Engelhorn von Boehringer Mannheim etwa 7 Milliarden Euro Vermögen in der Schweiz deponiert hat, Metro-Hauptaktionär Otto Beisheim 4 Milliarden und Christoph Dornier vom Flugzeugbauer Dornier rund 1,5 Milliarden.

„Unpatriotisch, ja sogar unsozial“, so bewertete dies der Exministerpräsident von Niedersachsen, Sigmar Gabriel, wutschäumend beim SDP-Parteitag. Für „moralisch nicht akzeptabel“ halten es auch die grünen Bundestagsabgeordneten Christine Scheel und Fritz Kuhn, „wenn Unternehmer oder prominente Sportler ihre Wohnsitze ins Ausland verlegen, damit sie bei uns keine Steuern bezahlen“. Das soll sich ändern, weshalb Scheel und Kuhn auf dem Parteitag der Grünen kommendes Wochenende Grundzüge für ein neues Steuerkonzept vorlegen und diskutieren wollen. Eine Mindeststeuer für Kapital und Vermögen ist Kern ihres Entwurfs.

Öffentlich beschweren sich die Grünen indes bei Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher, der steuerlich in der Schweiz residiert, und bei Bayern-München-Präsident Franz Beckenbauer, dessen Domizil im österreichischen Kitzbühel liegt. Nicht nur sollen die Luxusemigranten zur Schau gestellt werden, die Grünen appellieren ganz direkt an die Gesamtbevölkerung: „Wir können den Steuerflüchtigen unsere Kaufkraft und vielleicht auch unsere Bewunderung entziehen“, drohen und fordern die Spitzengrünen.

Wie man sich das vorstellen muss – „Kaufkraft und Bewunderung entziehen“ – bleibt unklar. Soll keiner mehr ins Olympiastadion gehen, worauf die Zahlenreihen von Bayern-Manager Uli Hoeneß ins Rote sinken und Beckenbauer reuig seine Konten ummeldet zur Stadtsparkasse nach München? Oder sollen alle aufhören, Ferrari-Pilot Schumacher zu verehren, was schließlich auch die Werbeagenturen merken, worauf Schumachers Marktwert sinkt?

Ein für Außenstehende völlig klarer Zusammenhang scheint den Spitzenpolitikern dabein nicht bewusst zu sein: Man kann nicht Globalismus und Kosmopolitismus predigen und gleichzeitig Wirtschaftsbürgern, die sich endlich dementsprechend verhalten, fehlendes Nationalbewusstsein unterstellen. Vor allem dann nicht, wenn man wie Gabriel, Scheel und Kuhn zu den Protagonisten des freien Marktes gehören will und für die Öffnung der Grenzen plädiert, auf dass alle Waren munter fließen.

Ulrich Schumacher, Chef des Computerchip-Produzenten Infenion, war deshalb zu Recht überrascht, als Christine Scheel ihn in einer Fernsehsendung als Beispiel dafür anführte, wie das vaterlandslose Fluchtkapital den Staat an den Rand des Ruins treibt. Die Antwort des Konzernherrn per Brief: Er gehorche den Regeln des Marktes – nicht mehr und nicht weniger. Einem marktwirtschaftlichen Unternehmen müsse es doch gestattet sein, die unterschiedlichen Bedingungen des Marktes zu nutzen, also auch Unterschiede in der Höhe der Steuern. Viele Bundesbürger werden Schumachers Argumentation aus tiefstem Herzen nachvollziehen. Warum soll der Markt plötzlich schlecht sein? Wenn es sich finanziell lohnt, kauft fast jeder Einwohner Know-how von Steuerberatern und Rechtsanwälten ein, um sein Privatvermögen möglichst zu schützen.

Die unappetitliche Ansprache der Politiker ans Ressentiment zeugt von großer Hilflosigkeit. Moralische Appelle gehören nicht zu ihren Aufgaben. Sie sollten die Gesetze ändern. Denn die sind in der Tat ein Problem: Solange jeder seine Millionen im Ausland in Sicherheit weiß, bleibt die Lage, wie sie ist.

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