Ausbilder als Integrationslotsen

Das Kölner „Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen“ (BFmF) fördert Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund, die bedingt durch ihren Lebensweg ohne Abschluss dastehen

Von Sandra Pingel

Zuhal Turan hat einen ungewöhnlichen Werdegang. Bis zur 6. Klasse lebte sie mit der Familie in Deutschland, dann ging es für zweieinhalb Jahre zurück in die Türkei. Als sie Ende der 80er Jahre wiederkam, war von ihren Deutschkenntnissen nicht viel übrig geblieben. Und so wäre aus dem ersehnten Schulabschluss wohl nicht viel geworden – wenn nicht Turans damalige Deutschlehrerin gewesen wäre. „Erika Theißen hat mir und einem zweiten Mädchen vor und nach den Kursen immer Nachhilfe in weiteren Fächern gegeben“, erzählt sie. „Und nachdem ich den Hauptschulabschluß hatte, wollte ich auch den Realschulabschluß machen.“ Anschließend hat sie während der Ausbildung zur Informationstechnischen Assistentin das Fachabitur gemacht. Heute schreibt sie an ihrer Diplomarbeit in Wirtschaftsinformatik an der Uni Köln.

Turan und Theißen gehören zu den Mitbegründerinnen des „Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen e.V.“ (BFmF). Rund 260 Mitglieder aus 20 verschiedenen Herkunftsländern zählt der 1996 gegründete Verein. Auch einige deutsche Frauen sind darunter. „Der Vereinsname wird oft missinterpretiert“, sagt Ayten Kiliçarslan, die stellvertretende Leiterin des BFmF. „Er soll lediglich ausdrücken, dass es ein Angebot von muslimischen Frauen ist“, betont die 39-jährige Mutter von drei Kindern. Das Kursangebot stehe aber Frauen aller Religionen offen. Ziel des Vereins ist, insbesondere Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund zu fördern: Sprach- und Computerkurse, Haupt- und Realschulklassen sowie Seminare zur religiösen, politischen und gesundheitlichen Bildung sollen aus den Frauen mehr machen als die sprichwörtliche Putzfrau. Und es gibt Kurse für die ganze Familie. „Papa lernt Deutsch“, heißt ein Seminar.

Die Arbeit des Zentrums wurde bereits mehrfach gewürdigt. Johannes Rau lobte den Verein 2002 für „vorbildliches Engagement bei der Integration von Zuwanderern“. In diesem Jahr wurde das BFmF vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ ausgezeichnet. Der Verein finanziert sich durch Projektzuschüsse von Bund und Land, sowie durch Mitgliedsbeiträge und die Einnahmen, die durch die Kurse hereinkommen. 25 festangestellte Mitarbeiterinnen und zehn Honorarkräfte aus zehn Nationen arbeiten im BFmF.

Zu den Aushängeschildern des BFmF gehören die Haupt- und Realschulklassen. Hierher kommen Mädchen, die bereits aus dem schulpflichtigen Alter raus sind und ohne Abschluss dastehen. Am Ende des Schuljahres wird die Abschlussprüfung von den Behörden abgenommen. „Unsere Schülerinnen schneiden mit sehr guten Noten ab“, so Vize-Leiterin Kiliçarslan. Der Unterricht sei zeitintensiver als an normalen Schulen und „die Mädchen und Frauen sind hochmotiviert.“

Wohl auch, weil sie wissen, dass das BFmF ihre letzte Chance ist. Manche sind in ihrer Heimat nur wenige Jahre zur Schule gegangen, so dass sie vom öffentlichen Schulsystem nicht aufgefangen werden können. „Teilweise fangen wir hier in Mathe bei Null an“, sagt Kiliçarslan.

Bei der Suche von Praktika und Ausbildungsstellen berät Türkan Öztoprak die Schülerinnen. Die 35-Jährige stellt Kontakte zu möglichen Ausbildungsbetrieben her, hilft beim Erstellen von Bewerbungsmappen und fragt bei Betrieben an, ob sie Migrantinnen einstellen. „Ich bin sozusagen ein Integrationslotse.“ So ist Zuhal Turans Bildungsweg schon länger keine Ausnahme mehr. Das BFmF kann einige Erfolgsgeschichten erzählen, von Mädchen, die hier ohne Abschluss ankamen und nach dem Realschulabschluss an weiterführenden Schulen Abitur gemacht haben.

Zuhal Turan betreut inzwischen den 15 Plätze fassenden Computerraum im BFmF, zusammen mit ihrer Schwester, die einen ähnlichen Werdegang hat wie sie. „Wenn ich nicht das Glück gehabt hätte, Erika Theißen zu treffen, die mein Leben verändert hat, hätte ich lediglich einen Deutschkursabschluss“, räsoniert Turan über ihre Lebensgeschichte. Sie wolle mehr vom Leben, als nur heiraten und Kinder kriegen. Verheiratet ist sie zwar, aber ihr Mann sei sogar ergeiziger als sie, wenn es um ihre Ausbildung geht: „Er will, dass ich noch einen Master mache.“

Weitere Informationen über das Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen unter www.bfmf-koeln.de, Tel. 0221-511815 oder Mo-Fr 9-13/ 14-18 Uhr in der Liebigstr. 120b