Koch empfiehlt Kölner Studierenden brutalstmögliche Rezepte

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) erklärt Kölner BWL-Studenten, wie Deutschland gerettet werden kann: Mit „Visionen“ und natürlich mit mehr Marktwirtschaft, besonders im Gesundheitswesen. Dafür aber ohne Kündigungsschutz, Schwarzarbeit und Rücksicht auf Hirschkäfer

Köln taz ■ Wenn junge Leute in Scharen abends um acht in einen Hörsaal strömen, als wäre er ein Kino oder eine Diskothek, muss das Programm vielversprechend sein. Und in der Tat, Politprominenz hatte sich am Mittwoch Abend im Institut für Wirtschaftspolitik der Kölner Universität angesagt: Hessens Ministerpräsident Roland Koch gab sich die Ehre.

Da macht es auch nichts, dass sich der CDU-Politiker um eine halbe Stunde verspätet. Nur wenige verlassen vorzeitig den gut gefüllten Hörsaal und gehen lieber in die nächst gelegene Kneipe. Die meisten der über 300 Zuhörer harren aus. Schließlich sind sie hier, weil sie was lernen wollen. Jedenfalls sagen das zwei BWL-Studentinnen, die gerade einen Schein in Wirtschaftspolitik machen und von ihrem Professor hergeschickt worden sind. Manche wollen auch „einfach nur mal Roland Koch live erleben“.

Und da kommt er auch schon. Schneller Schritt, kurze Begrüßung mit einer Entschuldigung fürs Zuspätkommen. Applaus.

Und dann schießt er los. Das Thema ist brandaktuell: „Reformdebatte oder Reformdebakel – ist Deutschland zukunftsfähig?“ Die Frage beantwortet Koch mit einem klaren Ja. „Sonst müsste ich mir einen neuen Job suchen.“ Er hält es nicht mit Helmut Schmidt, der seinerzeit sagte, wer Visionen habe, müsse zum Arzt gehen. Im Gegenteil: Visionen könnten Deutschland retten, so Koch.

Aber wir Deutschen seien ja viel zu zögerlich, unaufgeschlossen, ängstlich – kurzum: viel zu konservativ. „Ganz besonders wir“, betont Koch, womit er offenbar sich und seine Parteikollegen meinte. Aber in erster Linie sei die Politik da sowieso nicht gefragt. „Unternehmer müssen Ideen entwickeln“, ruft er den angehenden Betriebswirten zu und ist damit wohl an der richtigen Adresse. Applaus kriegt er diesmal nicht.

Aber Roland Koch hat auch politische Lösungen auf Lager. Wenn es mit den Visionen hapert, dann halt doch eine ausgeklügelte Strategie zur Rettung Deutschlands. Und da zeigt sich der Profi. Eine geschlagene Stunde spricht der rhetorisch geschickte Redner mit flammenden Worten. Eine neue Bundesregierung, egal welcher politischen Couleur, müsste als erstes den Arbeitsmarkt reformieren. Kündigungsschutz ade! Als zweites müsste das Planungs- und Lizenzierungsrecht gelockert werden. „Es kann nicht angehen, dass in Deutschland wirtschaftlich bedeutende Bauvorhaben verhindert werden, weil der Schutz eines Hirschkäferhabitats vorgeht“, schimpft Koch. „Oder der Lebensraum von Kammmolchen!“ Ein Naturfreund ist er nicht, der hessische Ministerpräsident. Aber das kann man sich wohl auch nicht leisten als politischer Entscheider. Trotzdem: Umweltschutz gehört nun mal auch zur Politik. Koch scheint dennoch nicht viel davon zu halten. Klar, wenn man im Umweltschutz nur die wirtschaftliche Bremse sieht und nicht das Potenzial.

Dritter Punkt seiner Strategie ist die Steuerreform. Vor allem einfacher müsse das System werden. „So dass die Menschen es verstehen!“ Und dass Schwarzarbeit endlich keine Chance mehr habe. Wie genau das gehen soll, ist aus dem schnellen Redefluss leider nicht herauszuhören.

Wenn das alles geschafft ist, es in Deutschland also keinen Kündigungsschutz und keine Kammmolche, aber auch keine Schwarzarbeit mehr gibt, dann kann man die Sozialsysteme reformieren, geht Kochs Rundumschlag weiter bis um derzeitigen Lieblingsthema seiner und der Schwesterpartei: der Gesundheitsreform. Von der Kopfpauschale mal abgesehen, hält Koch ein feuriges Plädoyer für die Marktwirtschaft, die endlich auch im Gesundheitswesen Einzug halten müsse. „Mit sozialem Ausgleich“, versteht sich, denn alles andere wäre ja auch unchristlich.

Fertig! Es ist inzwischen 22 Uhr. Der Hörsaal leert sich zügig. Die meisten wollen jetzt wohl doch noch schnell ein Kölsch trinken. Ein paar wenige bleiben in Kleingruppen stehen. „Das, was er zur Gesundheitsreform gesagt hat, war genau dasselbe, was wir im Seminar gelernt haben“, sagt eine Studentin zu ihrem Kommilitonen. Schön für Roland Koch. Christiane Martin