Tödlicher Kampf um Arbeitsplätze in Indien

Im Bundesstaat Assam sterben 51 Biharis. Hintergrund ist die Konkurrenz um die begehrten Staatsstellen

DELHI taz ■ Die Zahl der Toten bei den ethnischen Unruhen im indischen Nordosten hat inzwischen 51 Personen erreicht. In Assam haben sich mehrere tausend Menschen in Schulen in Sicherheit gebracht, da ihre Wohnstätten, meist behelfsmäßig gebaute Bretterbuden, vor den Angriffen lokaler Banden keinen Schutz bieten und schnell niederbrennen. Die Opfer waren Wanderarbeiter aus Bihar.

Die Versorgungslage in Assam, das von Lebensmittellieferungen aus anderen Bundesstaaten stark abhängt, wird allmählich kritisch. Die Bahn- und Straßen-Transitrouten in den Nordosten führen durch Bihar, und in Folge der Ausschreitungen gegen Biharis kam es vergangene Woche zu Unterbrechungen der Züge nach Assam. Zahlreiche Lkw-Fahrer weigerten sich, dorthin zu fahren.

Auslöser der Unruhen waren vor Wochenfrist Handgreiflichkeiten zwischen Job-Anwärtern vor einem Rekrutierungsbüro der indischen Eisenbahn in Guwahati, der Hauptstadt Assams. Die Auseinandersetzungen breiteten sich rasch auf die Stadt und von dort in den Osten des Landes aus. Die Untergrundorganisation „United Liberation Front of Assam“ (Ulfa), die seit zwanzig Jahren mit dem Argument der Überfremdung durch Migranten aus Bangladesch für einen eigenen Staat kämpft, machte sich schwelende Ressentiments gegen die „Wirtschaftsflüchtlinge“ aus dem eigenen Land zunutze, um daraus einen ethnischen Konflikt zu entfachen. Es wird vermutet, dass Ulfa-Kader hinter der Ermordung zahlreicher Biharis stehen oder dass diese den Unmut angeheizt haben.

Am Wochenende kam es in Vororten der westindischen Metropole Bombay zu Angriffen gegen anreisende Biharis. Auch sie befanden sich auf dem Weg zu einem Rekrutierungsbüro der „Indian Railways“. Anhänger der rechtsradikalen örtlichen Partei Shiv Sena stoppten Züge aus Bihar, zerrten Männer aus den Waggons und schlugen sie zusammen. Hinter diesem ethnischen Konflikt verbirgt sich oft der verzweifelte Kampf um Arbeitsplätze.

Bei der jüngsten Rekrutierungsaktion der Eisenbahnen in den beiden Regionalzentren Guwahati und Bombay geht es um 2.200 unqualifizierte Arbeitsplätze. 650.000 Männer sollen sich darauf beworben haben. Da es sich bei den „Indian Railways“ um einen zentralstaatlichen Arbeitgeber handelt, kamen viele von ihnen aus Bihar, dem Armenhaus des Landes. Zahlreiche der 125 Millionen Einwohner sind Kleinbauern und Tagelöhner und gezwungen, außerhalb des Bundesstaates ein Einkommen zu suchen. Solange es „Kulis“ sind oder, wie in Assam, Arbeiter in den Teeplantagen, werden sie geduldet. Doch sobald die Aussicht auf eine sichere Staatsstelle besteht, kommt es zu einem intensiven Verdrängungswettkampf. Dieser erhält dann oft eine ethnische oder regionalistische Färbung, schlägt in Gewalt um und trifft dabei auch Menschen, die oft seit Generationen ansässig sind.

BERNARD IMHASLY