Jeder darf, keiner muss

Organisierte Literatur ohne Quotendruck: Machtclub zum Thema „Unser Kosmos“ im Malersaal des Schauspielhauses

Wenn Erfolg eine Sache ist, die sich in Zahlen darstellt, in Verkaufszahlen nämlich, dann ist Thomas Kapielski ein sehr erfolgreicher Autor. Zumindest war er es einen Abend lang. Es geschah am Stand der Hamburger Buchhandlung Cohen und Dobernigg, die in bewährter Manier das Merchandising übernimmt, wenn der Machtclub im Malersaal des Schauspielhauses zur Lesung lädt.

Die Buchhändler stapeln auf ihrem Klapptisch dann Sonderposten des gedruckten Wortes. Paperbacks von Poetry-Slams, Drucklegungen der Macht-Mitglieder – und natürlich auch die Bücher der eingeladenen SchriftstellerInnen. Literatur, die in kleinen Auflagen bei kleinen Verlagen erschienen ist und höchst selten in den Auslagen der Buchgeschäfte landet.

Von Kapielskis neuem Büchlein Weltgunst hatten die Literatur-Händler genau 23 Exemplare eingepackt – viel zu wenig, wie sich schnell herausstellte. „Ausverkauft“ hieß es nach zweieinhalb Stunden Machtclub. Kapielski, Berliner, 53 Jahre, hatte das Publikum überrollt mit seinen Geschichten. Der Mann ist ein Philosoph vom Schlage eines Harry Rowohlt, nur wesentlich weniger bekannt. Er bekommt eines Nachts Besuch vom Engel des Herrn, welcher ihm befiehlt, unverzüglich sieben Halbe trinken zu gehen. „Wo?“, fragt Kapielski. „Egal“, sagt der Engel. Also marschiert Kapielski zügig los, um weisungsgemäß „das himmlisch verordnete Quantum“ zu erfüllen. Du sollst nicht saufen um des Saufens willen.

So, wie sich Literaturhäuser um die Prominenz der Autorenschaft bemühen, so lädt der Machtclub jene ein, die in der zweiten Reihe stehen. Oder noch weiter hinten. Quotendruck gibt es hier nicht. Tobias Hülswitt hat dieses Jahr seinen zweiten Roman veröffentlicht, trotzdem liest er lieber eine alte Auftragsarbeit mit dem Titel „Ökologie“, das scheint ihm besser zu gefallen. Andreas Entenmann trägt, eine Hand hält das Mikro, die andere seine Hüfte, paarreimige Lyrik vor.

Leichte Unterhaltung ist das nicht, im Dunkel des Malersaals regt sich dennoch kein Unwillen. Jeder darf, keiner muss. Im Raumanzügen, später oben ohne, „weil Alexander den Helm hinter der Bühne zertrümmert hat“, hüpfen Alexander Posch und Friederike Moldenhauer als Moderatoren über die Bühne. „Unser Kosmos“ ist das Motto des Abends. Damit kann eigentlich nur der Mikrokosmos der organisierten Literatur gemeint sein. Eine Parallelwelt zu der schlechten Stimmung in der Buchbranche draußen, die über Umsatzeinbrüche klagt. Und im Machtclub kauern Menschen zweieinhalb Stunden auf Sitzkissen, um sich vorlesen zu lassen. Kaufen danach noch Buchbestände auf. Seltsam. In den großen Hamburger Buchhandlungen aber ist einer wie Kapielski nicht einmal vorrätig. Andrea Mertes

nächster Machtclub: 14.12., 20.30 Uhr, Malersaal