Aussagen über Folter

Chiles Präsident Lagos erhält umfassenden Bericht über Menschenrechtsverletzungen in der Pinochet-Zeit

BUENOS AIRES taz ■ Mehr als 35.000 Zeugenaussagen hat die von Chile Präsidenten Ricardo Lagos eingesetzte Untersuchungskommission über politische Haft und Folter während der Militärdiktatur (1973 bis 1990) in den vergangenen zwölf Monaten zusammengetragen. Am Mittwoch übergab der Leiter der Kommission, der katholische Bischof Sergio Valech, den dreibändigen Bericht in der Hauptstadt Santiago an Lagos. Anfang Dezember will der Präsident den Bericht offiziell veröffentlichen, nachdem er ihn eingehend studiert haben will. Lagos nannte den Bericht „einen sehr wichtigen Schritt für Chile“. „Wie viele Länder hatten den Mut, ihre eigene Geschichte eingehend zu betrachten? Wie viele Länder hatten den Mut, genau zu wissen, was geschehen ist?“, fragte Lagos, als er den Bericht, der auch Vorschläge zur Entschädigung der Opfer enthält, entgegennahm.

Der Bericht nennt weder Opfer noch Täter namentlich. Jedoch werden die Orte genannt, an denen die Militärs ihre Gefangenen gefoltert und festgehalten haben. Auch wird auf die Foltermethoden der Sicherheitskräfte eingegangen. Stromstöße, Verbrennungen am Körper, sexuelle Gewalt, Prügel und Drohungen gehörten zum Folterarsenal in Chiles Gefangenenlagern. Die systematische Folter folgte einer staatlichen Politik. Es handelte sich dabei nicht um Aussetzer einzelner Vorgesetzter. In einer Karte sind die einzelnen Folterlager, Gefängnisse und geheimen Kerker eingezeichnet.

Bereits 1991 hatte der damalige Präsident Patricio Aylwin eine Untersuchungskommission über die während der von Augusto Pinochet angeführten Diktatur begangenen Verbrechen eingesetzt. Der so genannte Rettig-Bericht dokumentiert die Fälle von 2.920 ermordeten oder verschwundenen Chilenen. Jedoch enthält der damalige Bericht im Unterschied zum jetzigen keine Fälle von Menschenrechtsverletzungen, bei denen die Opfer überlebt haben.

Am 11. September 1973 putschte der General Augusto Pinochet gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende und begann eine 17 Jahre währende Militärdiktatur. Bis heute sind die Militärs in Chile ein wichtiger Machtfaktor. Erst vor einer Woche gestand der Oberkommandierende des Heers, Juan Emilio Cheyre, eine Mitschuld seiner Institution an den Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur. Es war das erste Mal, dass das chilenische Heer seine Mitschuld an den Morden und der Folter eingestand.

INGO MALCHER