Anders als die RAF

Ob Fahndung oder Resozialisierung: Islamistischer Terror konfrontiert die Justiz mit völlig neuen Fragen

BERLIN taz ■ Was ist der Unterschied zwischen einem islamischen und einem RAF-Terroristen? Was nach dem Beginn eines Witzes klingt, beschäftigte Polizisten, Staatsanwälte und Justiz auf einer Berliner Konferenz zu „Justiz in den Zeiten des Terrors“. Eine Antwort auf die Frage ist laut dem Terrorismusexperten und Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger: „Die RAF hat 34 Menschen durch Attentate getötet. Aber durch ein Attentat sind in Madrid 500 Menschen gestorben und in New York 3.000.“ Wenn die Polizei heute erst nach einem Anschlag mit der Spurensuche anfange, sei das zu spät. Gegen den neuen Terrorismus helfe deshalb nur eins: Vorfeldermittlungen.

Aber was ist das überhaupt? „Alles in der Welt war vorher ein Gedanke“, erklärt der liberale Rechtsexperte Burkhard Hirsch. Wer möglichst sicher gehen wolle, müsse also Fingerabdrücke von allen fordern oder gar DNA-Analysen aller. Hirsch hält beides für den falschen Weg. Er warnt: „Wir dürfen den Vorfeldbegriff nicht vollkommen entgrenzen.“

Der Liberale fordert stattdessen, nach den Gründen der islamistischen Terroristen zu fragen. Es sei schließlich kein Zufall, dass die Todespiloten ins World Trade Center gerauscht seien und nicht in den Vatikan: „Die Todespiloten sind Spinner gewesen“, so Hirsch. „Aber man muss verstehen, dass nicht alle Menschen nach dem American Way of Life leben wollen.“

Ein weiterer Unterschied zwischen RAF und Al-Qaida-Anhängern zeigt sich nach Ansicht einiger Experten bei der Frage nach der Resozialisierung. Bei Tätern mit „anderem ethnischen und religiösen Hintergrund“ sei es zum Teil fraglich, wie sie im Gefängnis resozialisiert werden sollten, urteilt Berlins Justizsenatorin Karin Schubert. Womöglich wollten einige Terroristen selbst nach ihrer Entlassung überhaupt nicht straffrei in dieser Gesellschaft leben.

„Bei den RAF-Terroristen hatten wir vor 30 Jahren auch Zweifel, dass sie jemals resozialisiert werden“, wendete Bundesanwalt Rainer Griesbaum ein. Doch alle hätten sich schließlich mit ihren Taten auseinander gesetzt oder seien entlassen. Zudem gebe es schon jetzt ein positives Gegenbeispiel aus der Islamistenszene: Schadi Abdallah. Der Anhänger von al-Tahwid wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt. „Bei der Festnahme hätte niemand gedacht, dass so jemand resozialisiert werden kann“, so Griesbaum. „Aber er hat sich von seinen Taten distanziert.“

MAREKE ADEN