Lass mich dein Hund sein, Leslie Feist

Die Kanada-Berlin-Connection: Leslie Feist kam mit Taylor Savvy und Mocky ins Maria, aber alle wollten nur sie. Diamantstaub stieg aus ihrer Stimme auf. Wie eine lustige Fee lässt sie ihre Hände nach den Melodien schnappen

Eine lange Schlange windet sich am Donnerstagabend vor dem Eingang der Maria. Hier spielt gleich Leslie Feist, die Kanadierin mit dem Nachnamen, über den sich immer alle aufregen. Ich finde ihn sehr hübsch. Und tatsächlich, man spricht ihn wie im Deutschen aus, „Faist“ und nicht etwa „Fäist“.

Das macht nämlich auch Taylor Savvy so, der überraschend das Vorprogramm bestreitet. Savvy, ein Kollege aus Feists berühmter Berliner Kanada-Clique, wird von den zumeist aus Jugendlichen und jugendlichen Pärchen bestehenden Besuchern nicht gleich erkannt. „Ist das jetzt der Gonzales?“, fragt einer, nicht ganz zu Unrecht übrigens, denn Taylor Savvy, der früher aussah wie ein eleganter Schuljunge, nähert sich optisch tatsächlich immer mehr dem großen G. Soundmäßig sowieso ähnlich, gibt Savvy mit schmieriger Crooner-Attitüde seine dekonstruktivistischen Disco-Kracher zum Besten. „Baby c’mon, c’mon, c’mon, c’mon, c’mon“, singt er immer wieder beschwörend und behängt sich dabei artistisch mit Handtüchern.

Mocky, auch er ein Kanadier mit Berliner Pass, kommt für ein Duett auf die Bühne und nimmt sich ebenfalls ein Handtuch. Den Zuschauern ist die große Entertainer-Geste eher suspekt. Viele scheinen lieber zu so was wie den Kings Of Convenience zu träumen. Und weil Feist auf deren letzter Platte mitgesungen hat, träumen sie jetzt von Feist.

„Feist ist so eine tolle Frau, ich steh total auf so tolle Frauen“, sagt eine dumme Gans neben mir, die mich und ihre Freundinnen mit schlecht durchdachten Theorien über „die Zigarette danach“ langweilt. Und dann kommt sie, Leslie Feist, die tollste Frau der Welt. Schön sieht sie aus in ihrem weißen Bühnenoutfit, auf Armen und Beinen sitzen aufgemalte schwarze Striche, die Wangen zieren zwei perfekte Schönheitsflecke. Die Menge ist aus dem Häuschen, schon beim ersten Song. Sie spielt die Lieder von ihrem Debüt „Let It Die“, live klingen sie anders und manchmal irgendwie ironisch.

Drei aus ihrer neuen französischen Heimat mitgebrachte Virtuosen begleiten Feists Gitarre mit Hammondorgel, Posaune, Schlagzeug und diversen Worldmusic-Accessoires. Der Posaunist rasselt manchmal mit einer Muschelkette oder schlägt einen Dosentakt, und als er irgendwann ein perfektes Solo spielt, muss ich an das Jazzfestival von Montreux denken. Feist ist dort in diesem Jahr tatsächlich schon aufgetreten, was sie allerdings bescheiden verheimlicht: „Meinen letzten Auftritt in Berlin hatte ich im ‚White Trash‘“, sagt sie und singt mit einer Stimme, die klingt, als wäre sie mit reinstem Diamantstaub gepudert. Nichts gegen Christina Aguilera, aber Feist singt besser und hat noch dazu den besseren Musikgeschmack. Wie eine lustige Fee lässt sie ihre Hände nach den Melodien schnappen; bei einem Disco-Song knickt und biegt sie ihren Körper so anmutig, dass das ekstatische Publikum vollends in Zuckungen verfällt.

„Einmal im Leben Talentscout einer Plattenfirma sein“, denke ich vermessen auf dem Heimweg. Wie großartig muss sich denn bitte der Tag anfühlen, an dem man jemanden wie Feist signt? Sie ist ein großer Star.

LORRAINE HAIST