Der lange Tag der Beratung

Subbotnik in den Arbeitsämtern: Alle Berliner Arbeitsagenturen sind heute extra geöffnet. Ziel der Aktion: noch mehr Anträge auf Arbeitslosengeld II einsammeln. Davon kommt man nur in Davos

VON RICHARD ROTHER

Hartz IV schafft jede Menge Arbeit – zumindest für die Mitarbeiter der Arbeitsagenturen. Und für diejenigen, die diverse Formulare auszufüllen und Belege beizubringen haben, um ab Januar das so genannte Arbeitslosengeld II zu bekommen. Statt zu shoppen oder etwa in die Sauna zu gehen, schieben die Agenturmitarbeiter heute eine Sonderschicht. Von 8 bis 14 Uhr sind alle Berliner Arbeitsämter geöffnet. Eine bislang einmalige Aktion, die zeigt, wie schwierig die Umsetzung der umstrittenen Arbeitsmarktreform ist, mit der Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf Sozialhilfeniveau zusammengelegt werden.

Alle, die ihren Antrag auf Arbeitslosengeld II noch nicht abgegeben haben, bekommen heute eine Extragelegenheit dazu. Dabei wollen sich die Mitarbeiter der Agenturen auch die Zeit nehmen, beim Ausfüllen der seitenlangen Anträge zu helfen und Fragen zu beantworten.

Rein rechtlich haben Betroffene noch mindestens bis zum 31. Dezember Zeit, ihren Antrag abzugeben. Würde dies ein Großteil erst sehr spät tun, würden die Agenturen in organisatorische Schwierigkeiten geraten. Deshalb heute die Sonderschicht.

Bislang haben rund drei Viertel aller Berliner Anspruchsberechtigten ihren Antrag bei den Arbeitsagenturen abgegeben; rund 186.000 Anträge hatten die Agenturen für Arbeit verschickt. Hinzu kommen noch die derzeitigen Sozialhilfeempfänger, die Post von den Sozialämtern erhalten haben. „Wir sind mit dem bisherigen Rücklauf zufrieden“, so der Sprecher der Regionaldirektion der Arbeitsagentur, Olaf Möller. Immerhin seien die abgegebenen Anträge bearbeitungsbereit, könnten in Kürze bewilligt werden. „Jeder soll so schnell wie möglich schwarz auf weiß sehen können, mit wie viel Geld er im nächsten Jahr rechnen kann.“

Seit Beginn dieser Woche verschickt die Nürnberger Zentrale der Arbeitsagentur die ersten Bescheide über das künftige Arbeitslosengeld II, auch nach Berlin und Brandenburg. Wie viele Berliner bereits Post aus Nürnberg bekommen haben, kann die Regionaldirektion aber kaum feststellen. Unbekannt ist auch, wie viele Anträge negativ beschieden wurden – weil etwa der Partner zu viel verdient oder zunächst das eigene Vermögen aufgebraucht werden muss. Für Betroffene mit etwas Angespartem empfiehlt es sich ohnehin, über den Freibeträgen liegende Beträge auszugeben, etwa für Möbel oder einen Gebrauchtwagen. Statt das Ersparte für die laufenden Kosten auszugeben, erhöht man sich damit wenigstens einmalig den Lebensstandard.

Allerdings gibt das Arbeitsamt Mitte heute den Berliner Arbeitslosen eine Chance, zumindest vorübergehend nicht in die Hartz-IV-Mühle zu geraten. Mit der Aktion „Arbeit und Ausbildung in Europa“ werden Arbeitsmöglichkeiten im europäischen Ausland angeboten. Zurzeit gibt es Saisonjobs in den Skigebieten in Österreich und der Schweiz. Frei nach dem Motto „Kellnern, wenn andere Urlaub machen“. Wenn das keine Erlösung ist!