Wasserstoff marsch!

Weltweit größte Wasserstofftankstelle in Berlin eröffnet. Verkehrsminister Stolpe: „Meilenstein für saubere Energie“. Verkehrsclub: Schadstoffausstoß sofort reduzieren. Greenpeace: Augenwischerei

VON OLIVER MARQUART

Berlin ist seit gestern führend in einer Zukunftstechnik: Am Messedamm wurde die weltweit größte Wasserstofftankstelle eröffnet. Sie gilt zugleich europaweit als erste öffentlich zugängliche Tankstelle mit einer Zapfsäule, aus der Wasserstoff kommt.

Die Innovation gehört zum Projekt Clean Energy Partnership Berlin (CEP) und wird von den darin zusammengeschlossenen Unternehmen betrieben. Die Zapfsäule gehört Aral, die Linde AG und Hydro/GHW stellen die technischen Anlagen zur Umwandlung von Wasser in Wasserstoff her. Vattenfall liefert den nötigen Strom, der passenderweise aus Wasserkraft erzeugt wird. 16 Wasserstoff-Pkws sind der Beitrag von BMW, Opel, Ford und DaimlerChrysler. Sie sollen Geschäftspartnern zur Verfügung stehen, um diese Autos im Alltagsbetrieb zu testen. Auch die Berliner Verkehrsbetriebe gehen mit der Zeit: Sie werden zwei Wasserstoffbusse einsetzen.

Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) bezeichnete die Eröffnung als „Epochenwende“ und Meilenstein für die Nutzung erneuerbarer Energien. „Das Datum wird in die Geschichte eingehen.“ Bis zur Massennutzung von Wasserstoff als Kraftstoff werde aber noch einige Zeit vergehen, räumte er ein.

Beim Einsatz von Wasserstoff als Kraftstoff gibt es zwei Möglichkeiten: die Nutzung in flüssiger Form über einen normalen Verbrennungsmotor – oder als Gas mittels so genannter Brennstoffzellen, die einen Elektromotor mit Strom versorgen. Beide Verfahren gelten als fast emissionsfrei. Auch bei der Umwandlung von Wasser in Wasserstoff ist der Schadstoffausstoß gering.

Doch nicht alle sind so begeistert. Daniel Kluge vom Verkehrsclub Deutschland begrüßte grundsätzlich das Engagement der Bundesregierung für erneuerbare Energien. Zugleich würden aber aktuelle Verkehrsprobleme verdrängt. „Die Regierung reitet auf diesem Zukunftsthema herum.“ Der CO2-Ausstoß müsse sofort reduziert werden.

Autoexperte Wolfgang Lohbeck von Greenpeace ging noch einen Schritt weiter. Er bezeichnete die Wasserstofftankstelle schlicht als „irrelevant“. Das Konzept löse keine Probleme und gehe zudem in eine falsche Richtung: Bei der Erzeugung von Wasserstoff werde das Dreifache der gewonnenen Energie verbraucht. Die Autoindustrie nutze das Projekt als Augenwischerei, um davon abzulenken, dass sie nichts tue, um den Kraftstoffverbrauch zu verringern. So hätten die Autohersteller ihr Wasserstoffkonzept beispielsweise als Totschlagargument gegen die flächendeckende Einführung von 3-Liter-Motoren benutzt.

Bezeichnend für die Zwiespältigkeit des Fortschritts war, wie schwer sich Minister Stolpe gestern tat, die neue Technik zu nutzen. Erst nach mehreren Versuchen gelang es ihm, einen blauen Ford mit gasförmigem Wasserstoff zu betanken.