berliner szenen Ode an die Uhr

Ticktack

Uhren, es gibt viele davon. Ich erinnere mich an Uhren, die in Nachtschichten aufgehängt waren, flächig oxidiert vom flehenden Blick kleiner Augen. Die Zeiger sollen ihr abfallen!! Und dennoch tickten sie stoisch weiter im stürmisch erhöhten Nutzungsdruck der übermüdeten Abrufkräfte. Experten sagen: Der müde Blick lässt Uhren vorzeitig rosten, man muss sich vorsehen, wenn man an dem guten Stück lange Freude haben will.

Zudem: Was die Uhren sagen, ist nicht einfach ein bedeutungsarmes Ticktick, es ist immer ein Ticktack – the shortest story. So muss man schreiben, sagen die Lektoren. Was Sie schreiben, ist ticktick, aber was sie schreiben sollten, ist: ticktack.

Einmal, morgens um fünf, blieb eine stehen, und in der kleinen Lücke zwischen dem Tick und dem Tack, das nicht kam – wirbelte Panik empor. Dass diese Nacht niemals zu Ende gehen könnte und wir alle für immer hier bleiben müssten, an den Feinsortiermaschinen dieser Welt, im autistischen Verweissystem der Postleitzahlen!

Es gibt Uhren an Straßenkreuzungen, die dort stehen, wie irgendein Baum am Abhang, dass wir ihn täglich wiedersähen, so ähnlich wie das verzogene Treusein einer Gewohnheit, der es bei uns gefiel und so blieb und nicht ging … danke, Rilke, setzen.

Und es gibt meinen Wecker und eine Uhr voller Würde und Verve. Das ist die Uhr im Schwarzsauer. Oh, was für eine großartige Uhr das ist. Die unbestechliche Nonchalance, mit der jene Uhr das Amüsement überblickt, wie sie ihre Zeiger in die Phase der Verschwendung hineinrückt, wie sie über der Tür winkt, ohne zu winken, wie sie das Realitätsprinzip bezeugt, wie sie persönliche Ultimaten emotionsarm durchkreuzt: Das ist groß. MONIKA RINCK