Schmutzige Tricks

Knapp zwei Wochen von den Wahlen im türkischen Teil Zyperns geraten immer mehr oppositionelle Journalisten ins Visier von Politik und Militär

Von KLAUS HILLENBRAND

Dass es eine kontroverse Diskussion werden würde, darauf hatte sich der Journalist Hasan Kahvecioglu eingestellt. Schließlich hatte der türkische Privatsender ART TV jeweils zwei für und gegen eine Zypernlösung votierende Gäste in die Runde eingeladen. Doch was dann passierte, hatte er sich nicht vorgestellt. Kaum hatte Kahvecioglu schmutzige Tricks der Friedensgegner angesprochen, blendete sich der rechtsgerichtete Sender aus und zeigte stattdessen eine nationalistische Konserve über die Invasion türkischer Soldaten auf Zypern von 1974.

Als vier Männer das Studio betraten und und Kahvecioglu anzubrüllen begannen, riss er sein Mikrofon ab und rannte hinaus. „Das Gebäude ist von hohen Zäunen umgeben“, berichtete er der Cyprus Mail. „Nationalisten liefen um das Haus herum. Ich nahm meinen Wagen und flüchtete durch den Ausgang.“

Hasan Kahvecioglu ist nur einer von vielen Journalisten, die im türkisch kontrollierten Nordzypern bedroht werden. In zwei Wochen finden dort Parlamentswahlen statt, und die konservative Regierung muss erstmals ihre Ablösung befürchten. Gewinnt aber die vereinte Opposition, dann will sie schleunigst Verhandlungen über die Gründung eines gemeinsamen Staats mit den griechischen Zyprioten im Süden führen. Das drohende Ende der „Türkischen Republik Nordzypern“ ist ein Alptraum für viele türkischen Nationalisten, die Militärs und den Präsidenten Rauf Denktasch.

Fünf Journalisten der Tageszeitungen Kibris und Ortam wurden wegen Beleidigung der Sicherheitskräfte und des Staates angeklagt. Ihr Vergehen: Basan Düzgün, Hasan Hastürer, Süleyman Ergüclü, Mehmet Davulcu und Hasan Kahvecioglu hatten über ein symbolisches Referendum für die Wiedervereinigung Zyperns berichtet. Die Polizei hatte den Urnengang verboten und die Organisatoren festgenommen. Den Journalisten drohen nun Verfahren vor dem Militärgericht und Haftstrafen von mehr als zehn Jahren. Angeklagt wurde auch der Journalist Murat Kanatli, der Mitte Oktober in Nikosia von rechtsradikalen „Grauen Wölfen“ angegriffen und geschlagen worden war. Ihm wird unbefugtes Betreten des Hauses der „Grauen Wölfe“ und der Diebstahl zweier Zeitschriften im Wert von umgerechnet 3,50 Euro zur Last gelegt. Der Herausgeber der Zeitung Afrika, Sener Levent, der in diesem Jahr schon drei Monate in Haft wegen Beleidigung von Staatschef Denktasch verbringen musste, erhielt Morddrohungen.

Der militärfreundliche Sender ART TV bringt nicht nur Nachrichten, sondern macht sie auch gleich selbst. Ins Visier geriet zuletzt die Oppositionspartei „Bewegung für Frieden und Demokratie“. Zwei Kameramänner des Senders rissen Augenzeugen zufolge eine türkische Flagge aus einem offenen Fenster der Parteizentrale, warfen sie auf den Boden und machten davon Aufnahmen. Die Flagge der türkischen Nation von der Opposition in den Schmutz gezogen – das machte sich gut in den Nachrichten des Senders.

Mit der Einbürgerung konservativer Festlandstürken hofft die Regierung, die Wahlen zu ihren Gunsten entscheiden zu können. So stieg die Zahl der Wahlberechtigten innerhalb von nur fünf Jahren von 120.758 auf 140.832 Personen – ein Plus von fast 17 Prozent. Manche der vorgeblichen Zyperntürken haben noch nicht einmal einen festen Wohnsitz auf der Insel.

„Mit dem Heranrücken der Wahlen steigt der Druck gegen Journalisten, die eine Zypernlösung befürworten“, so Kahvecioglu. Er ist davon überzeugt, dass die Repressionen sich gegen ihre Initiatoren wenden werden: „Sie glauben, dass Druck auf die Gesellschaft etwas für sie bewirkt, aber wir glauben an einen positiven Effekt“, sagt er. „Die Menschen werden darin bestärkt, für eine Zypernlösung zu stimmen.“

Die SPD-Bundestagsfraktion hat die Verantwortlichen in Nordzypern indes aufgefordert, „für die Wahrung der Presse- und Meinungsfreiheit zu sorgen und eine freie Berichterstattung nicht zu behindern“.