Bayak Payamis „Geheime Wahl“ im 3001: Vom Himmel gefallen
Wie viel sich eine Regierung, wird sie von der „Internationalen Gemeinschaft“ gedrängt, freie Wahlen kosten lässt, dreht Bayak Payami in seinem Film Geheime Wahl von Anfang an ins Absurde. Für die Stimmen der paar Seelen auf der Insel Kish im Persischen Golf fliegt eigens ein Flugzeug die Wahlurne an und lässt sie mit einem Fallschirm vom Himmel fallen. Die Wahlhelferin kommt wenig später mit einem Fährboot. Den zuständigen Soldaten macht beides staunen. Bisher hatte er hier bloß nach Schmugglern Ausschau zu halten. Und jetzt soll er diese Person mit dem falschen Geschlecht auch noch mit dem Jeep begleiten.
Mit den Umständen auf der Insel einigermaßen vertraut, mimt der Soldat zugleich den Skeptischen und den Übereifrigen. Wenn das Volk nicht zur Stimmabgabe bereit ist, hilft er auch mal mit der Waffe nach. Doch dass man Gesetze, die in der Ferne erlassen worden sind, auch brechen kann, muss er ausgerechnet von der Wahlhelferin lernen: Wenn sie nicht mehrfach folgenlos die einzige und ewig rote Ampel der Insel überschritten hätte, wäre er wohl nie weiter gefahren.
Seinen 2001 in Venedig ausgezeichneten Film möchte Payami nicht als realistische Beschreibung des Iran verstanden wissen. Vielmehr könne er an jedem beliebigen anderen abgelegenen Winkel der Welt spielen, in dem es keinen Strom in den Häusern, demnach keine Fernseher, feudale Besitzverhältnisse und Wasser nur aus dem Brunnen gibt.
Payamis absurde Komödie ist nicht antidemokratisch. Aber wenn am Ende eine riesige Passagiermaschine Wahlhelferin und Urne wieder einsammelt, fliegt auch die Überzeugung vom universellen Nutzen der Demokratie weg. Man ist daran erinnert, dass die Forderung nach ihr einmal aus Gesellschaften mit einer speziellen ökonomischen und sozialen Verfasstheit hervorgegangen ist. Christiane Müller-Lobeck
täglich, 20.30 Uhr, 3001
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