PDS leidet unter Ansturm der Studenten

Studierende besetzen für 27 Stunden das Büro des Wissenschaftssenators. Der ruft in der Nacht die Polizei und wird in letzter Minute von PDS-Abgeordneten zurückgepfiffen. Andere Studenten okkupieren die PDS-Zentrale. Dort gelten sie als Gäste

VON GEREON ASMUTH
UND LIA PETRIDIS

Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) ist nur knapp am endgültigen Zerwürfnis mit den Studierenden vorbeigeschlittert. Eine bereits verkündete Räumung seines von Studierenden besetzten Büros blies er am späten Dienstagabend erst auf Drängen mehrerer PDS-Abgeordneter ab. Die Studierenden blieben 27 Stunden. „Wir geben den Staffelstab weiter“, verkündeten die Flierl-Besetzer, als sie gestern gegen 16 Uhr die Wissenschaftsverwaltung verließen. Mit rund 500 vor dem Gebäude wartenden Kommilitonen zogen sie weiter zur PDS-Zentrale. Diese hatten andere Studierende zuvor ebenfalls besetzt.

Dass Senator Flierl einen Tag lang heimatlos war, hat eine lange Vorgeschichte: Gut 30 Studenten aller drei großen Unis hatten Dienstagmittag sein Büro in der Brunnenstraße für das „Besetzungskommittee Studierendenschaft“ übernommen. Sie forderten die Rücknahme der Sparvorgaben für die Unis in Höhe von 75 Millionen Euro, die Finanzierung von 135.000 Studienplätzen, viertelparitätische Mitbestimmung in Hochschulgremien und jeglichen Verzicht auf Studiengebühren oder -konten. Eine Rücknahme der Sparbeschlüsse dürfe zudem nicht zu Kürzungen in anderen sozialen Bereichen führen. Das Büro wollten sie besetzt halten, bis sich Flierl diese Forderungen zu Eigen mache.

Flierl bot ihnen einen Dialog an, etwa bei einer Vollversammlung an einer Uni. Er sehe jedoch „keinen politischen Handlungsspielraum für die Erfüllung der ultimativen Forderungen“. Als die Studierenden daraufhin am Abend ankündigten, in dem Büro übernachten zu wollen, zogen etwa zwei Hundertschaften der Polizei vor und in der Wissenschaftsverwaltung auf. Vor dem Haus blockierten derweil rund 150 Studierende den Eingang.

Während Flierl bereits per Pressemitteilung die Räumung durch die Polizei und sein Bedauern über „diesen Ausgang“ verkündete, versuchten PDS-Abgeordnete, darunter der ehemalige Hausbesetzer Freke Over, ihren Senator umzustimmen. Sie warfen ihm fehlendes Fingerspitzengefühl vor. Kurz nach Mitternacht erklärte Flierl, dass die Besetzer nun doch bis zu einer gemeinsamen Pressekonferenz am Morgen bleiben könnten. „Dies ist eine Lüge“, konterten zwei Besetzer. Flierl sei bei der Journalistenrunde nur als Gast geduldet.

Gestern Morgen, als die Besetzer ihre Forderungen erneuerten, hielt sich der sichtlich genervte Senator tatsächlich im Hintergrund. „Wir fühlen uns als Teil der tausenden Studenten, die gegen die Sparpolitik des Senats auf die Straße gehen“, sagte die Studentin Bella Hemke. „Wir sind auch Teil aller, die vom Sozialabbau betroffen sind.“

Flierl erklärt anschließend, er habe zwar Verständnis für die Proteste. „Ich bin auch der der Meinung, der Wissenschaftsbereich müsste stärker finanziert werden.“ Es müssten aber politikfähige Forderungen entwickelt werden. Seinen Verzicht auf die Räumung verkaufte er nun als Zeichen, „anders handeln zu können als erwartet“. Nun aber sei die „symbolische Besetzung“ beendet. Er erwarte, dass die Studierenden sein Büro verlassen.

Die aber blieben. Auf die Frage, wie sie aus diesem Patt herauskommen wollten, antwortete ein Student: „Mit dem Paradox müssen wir leben, genauso wie Herr Flierl mit seinem – er bezeichnet sich zwar als handlungsunfähig, will aber Senator bleiben.“

Den Ausweg boten gestern gegen 13 Uhr 150 andere Studierende mit der Besetzung der PDS-Zentrale an der Karl-Liebknecht-Straße. „Wir bekämpfen die Berliner Regierung. Wenn du sagst, du entsolidarisierst dich nicht von ihr, entsolidarisierst du dich von uns“, verkündete dort ein Student dem überraschten Wolfgang Gehrcke, Vorstandsmitglied der PDS. Der ernannte die Studenten gleich zu seinen „Gästen“ – ob die wollten oder nicht.

Nach einigem basisdemokratischem Hin und Her waren die Forderungen der Besetzer klar: Neben Landesparteichef Stefan Liebich, Bundesparteichef Lothar Bisky und Wirtschaftssenator Harald Wolf sollte auch der bereits geplagte Wissenschaftssenator zur Debatte erscheinen.

In der Zwischenzeit präsentierten die Studenten den Genossen Gehrke und Katja Kipping, stellvertretende Parteichefin und selber taufrische Exstudentin, eine klare Absage an die Bildungspolitik der rot-roten Koalition. Gehrke und Kipping sollten unterschreiben, ließen das aber lieber bleiben: Kipping verwies immerhin darauf, dass sie bereits eine Solidaritätserklärung in Sachen Streik verfasst habe.