Koloniales Hamburg

Mpundo Akwa schaut mit festem Blick von dem alten Foto herab. Er lebte von 1902 bis 1911 in Hamburg und im damals holsteinischen Altona. Sein Vater, King Akwa, und King Bel, die beiden „Kings of Cameroon“ hatten 1884 die so genannten „Schutzverträge“ mit dem Deutschen Reich unterschrieben. Wie viele seiner Landsleute aus den deutschen Kolonien ging auch Mpundo Akwa erst in Hamburg zur Schule und machte hier später als „Ausbildungsemigrant“ eine Lehre. „Mpundo hat sich offen gegen Rassismus gewehrt“, sagt der Historiker Heiko Möhle. „Er hat in erster Instanz einen Prozess gegen Kapitän Liesemann wegen dessen rassistischer Äußerungen gewonnen. Und er hat eine Zeitschrift zur Völkerverständigung herausgegeben.“

Deren Titelblatt, Zeitungsausschnitte und Fotos hängen derzeit im Schaufenster des St. Pauli Archivs. Collagenartig hat Heiko Möhle seine Ausstellung „AfrikanerInnen im kolonialen Hamburg“ gestaltet. Die Schau erstreckt sich über das eigene Schaufenster hinaus über das der benachbarten Eisdiele im Winterschlaf, die Fenster im Erdgeschoss des leer stehenden Hauses gegenüber und geht an den Wänden im Archiv weiter. „Anlass waren die Hereroaufstände im damaligen Deutsch-Südwestafrika vor 100 Jahren,“ erzählt Heiko Möhle. „Ich habe mich gefragt, unter welchen Bedingungen schwarze Afrikaner aus den deutschen Kolonien zu dieser Zeit hier gelebt haben.“

In die Handelsmetropole Hamburg kamen vergleichsweise viele junge Männer. Sie machten eine Ausbildung und arbeiteten später für die Kolonialherren in ihren Heimatländern. Andere gelangten als Seeleute oder Schausteller nach Hamburg und Holstein. „Oder sie nahmen an den so genannten Völkerschauen in Hagenbecks Tierpark teil“, erklärt der Historiker und zeigt auf eine alte Postkarte. „Tropenzauber um die Ecke“, so deren Titel. Eine Gruppe schwarzer, lächelnder Menschen ist zu sehen: eine exotische Belustigungsnummer für die Tierparkbesucher. „Solange die Leute im Schausteller-, Gastronomie- und Unterhaltungsgewerbe arbeiteten, waren sie als Exoten willkommen“, sagt Heiko Möhle. Eine andere Karte zeigt das Stereotyp vom „menschenfressenden Schwarzen“ auf dem Hamburger Dom, anderswo brüstet sich das „Kontorhaus Bauer“ in Rothenburgsort, ein „geräumiges Restaurant mit Negerbedienung“ zu sein.

Auch besser betuchte Afrikaner hatten es schwer. Sie wurden als „Hosennigger“ beschimpft und oft Ziel rassistischer Attacken. Diese verschärften sich mit dem Naziregime ab 1933: Berufsverbot, Entzug der Staatsbürgerschaft und KZ blühten den MigrantInnen und deren Nachkommen. Katrin Jäger

bis 10. 12. im Schaufenster des St. Pauli-Archivs, Wohlwillstraße 28. Zur Innenbesichtigung geöffnet Mo 17–19, Di–Fr 10–13 Uhr. Nächste Führung: Sa, 20.11., 15 Uhr