berliner szenen Eine Buchvorstellung

Sex, Sex, Sex

Man stelle sich vor: Kamasutra in der indischen Botschaft. „A naughty thought“, fasst es der indische Botschafter, der zur Präsentation der Neuübersetzung des Wagenbach Verlags die einleitenden Worte spricht. Doch wie man so dasitzt im lindgrünen Saal von protestantischer Anmutung, wie das grelle Licht aus phallisch herabhängenden Lampen niederfällt, da liegt nichts ferner als das frivole Gedankenspiel. Ein vollends unorgiastisches Auditorium lauscht dem „Leitfaden des Begehrens“.

Auf dem Podium die Moderatorin Luzia Braun und der Übersetzer, der Psychoanalytiker Sudhir Kakar: Das Kamasutra, meint der, sei ja eher als „orientalische sexuelle Gymnastik“ bekannt, umfasse aber weit mehr. Vatsyayanas im dritten Jahrhundert verfasstes Werk hält viel Wissenswertes bereit. Wie etwa wird man einen Mann, der „nur noch wenige Früchte abwirft“, wieder los? Dann kräuselt die Dame einfach die Lippen, stampft mit dem Fuß auf und tut Dinge für ihn, die er nicht will. Zweifellos wirksam. Der gute Liebhaber hingegen erzählt amüsante Geschichten und erklärt die Sterne. Der deutsche Übersetzer Robin Cackett liest lieber die expliziteren Passagen vor. Man wünscht sich in den Botschaftsgarten hinaus.

Und die Bedeutung des Kamasutra heute? Ach, sagt Kakar. Das Kamasutra sei wie ein verruchter Onkel: Er ist da. Doch den Gästen wird er nicht vorgestellt. Und wer hörte ihn schon, wenn die Dinge ihren Lauf nehmen? „Wenn das Rad der sexuellen Ekstase in vollem Schwung ist, dann gibt es keine Lehre mehr und keine Ordnung.“ Anschließend fällt bei Saft und Samosas hie und da diskret ein astrologischer Terminus. Ausnehmend amüsant werden Geschichten erzählt. So fängt schließlich, das weiß man jetzt, ein guter Abend an. KATRIN KRUSE