482 Kilometer für einen Schluck

Weite Transportwege, großer Energiebedarf: PET-Einwegflaschen sind am schädlichsten fürs Klima

BERLIN taz ■ Etwa 23 Milliarden Liter Mineralwasser, Limonade und Fruchtsäfte trinken die Einwohner Deutschlands Jahr für Jahr – das sind knapp zwei Badewannenfüllungen pro Person. Etwa die Hälfte dieser Menge stammt von Aldi, Lidl und anderen Discountern, wo man sie zumeist in 1,5-Liter-Plastikflaschen verkauft. Die Behälter kommen zwar inzwischen zum Großteil in die Läden zurück, weil die Kunden dafür jeweils 25 Cent Pfand bezahlen. Doch sie werden sofort zerquetscht und von den Discountern als Sekundärrohstoff verkauft. Bestenfalls entstehen daraus nach einem aufwändigen Schredder- und Säuberungsverfahren neue Flaschen. Der Großteil aber endet als Brennstoff oder wird zu Fleecejacken und anderen Produkten verarbeitet.

Über 60 Prozent der Erfrischungsgetränke sind heute in PET-Einwegflaschen verpackt. Auch beim Mineralwasser haben die Mehrwegsysteme innerhalb weniger Jahre die Marktführerschaft verloren. Nur noch knapp ein Viertel wird in Glasflaschen verkauft, die im Durchschnitt 40 Rundläufe vom Abfüller zum Laden und Verbraucher und wieder zurück schaffen, bevor sie eingeschmolzen und zu neuen Flaschen verarbeitet werden. PET-Mehrwegflaschen, die etwa 15- bis 25-mal im Laden stehen, haben beim Wasser inzwischen einen Marktanteil von 15 Prozent. Immer wichtiger werden Einwegflaschen etwa von Volvic oder Vittel, die in Mehrwegkästen angeboten werden und offiziell Zweiwegflaschen heißen. Der Abfüller bekommt seinen Plastikmüll sortenrein zurück und kann daraus wieder seine eigenen Flaschen herstellen. Doch derzeit rechnet sich das aufwändige Recycling nicht, so dass viele Anlagen stillstehen.

Das Heidelberger Ifeu-Institut hat jüngst die Ökobilanzen verschiedener Flaschensysteme untersucht. Neben Klimarelevanz haben die Forscher auch Belastung durch Sommersmog, Versauerung von Böden und Gewässern sowie den Flächenverbrauch betrachtet. Das Ergebnis: Für die Umwelt am günstigsten sind PET-Mehrwegflaschen. Nur beim Flächenverbrauch und der Wasserbelastung schneiden Einwegsysteme besser ab, weil weniger gelagert und gespült werden muss.

In die Bilanz gingen der Ressourcenverbrauch, die Transportwege, der Reinigungsaufwand und das Recycling ein. Die 1,5-Liter-Flaschen der Discounter verbrauchen nicht nur laufend frisches Rohmaterial. Sie legen auch wesentlich weitere Transportwege zurück, weil es nur fünf Großabfüllstationen mit 16 Außenposten in Deutschland gibt. Dagegen haben die Mineralwasserbrunnen 181 Standorte, an denen sie die einheitlichen Glasflaschen wieder befüllen. Somit ist eine durchschnittliche Mehrwegflasche insgesamt 258 Kilometer unterwegs, bis sie wieder bei einem Verbraucher ankommt – während die PET-Einwegflasche 482 Kilometer zurücklegt. Vor allem daraus ergibt sich, dass ein Getränk aus einer PET-Einwegflasche etwa doppelt so viel klimaschädliches CO2 verursacht wie der Schluck aus der PET-Mehrwegpulle. Etwas schlechter schneidet die Glasflasche ab, weil sie deutlich schwerer ist und weniger 0,7-Liter-Flaschen in einen Lkw passen. Nur beim Sommersmog schnitten die Mehrwegflaschen aus Glas besser ab als die PET-Flaschen.

Gäbe es hierzulande nur Mehrwegsysteme, blieben der Atmosphäre 1,25 Millionen Tonnen CO2 im Jahr erspart – das ist so viel, wie der Austausch von 60 Millionen Glühbirnen durch Energiesparlampen bringen würde. ANNETTE JENSEN