Freie Einreise

VISAFREIHEIT Ein Hamburger Anwalt hat eine Petition mitinitiiert, die türkischen Touristen künftig das Visum ersparen soll

„Halbwegs intelligente Menschen können so etwas nicht behaupten.“

Türken sollen visumsfrei in die EU einreisen dürfen. Dies fordert der Hamburger Rechtsanwalt Ünal Zeran. Und beruft sich auf ein Zusatzprotokoll, das 1973 zwischen der Türkei und den damaligen EWG-Staaten vereinbart wurde. Dort ist zu lesen, dass die Bedingungen des Dienstleistungsverkehrs in Zukunft nicht verschlechtert werden dürften. Damals durften sich Türken bis zu drei Monate ohne Visum in Deutschland und einigen EU-Ländern aufhalten.

Mit dem deutschen Ausländerrecht wurde sieben Jahre später allerdings die Visumspflicht für Türken eingeführt. Diesen Umstand prangert Ünal Zeran an: „Der völkerrechtliche Vertrag von 1973 ist höher zu stellen als die nationalen Vorschriften“, sagt der Anwalt. Teilweise recht gibt ihm ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg vom Februar dieses Jahres. Nach jahrelangem Rechtsstreit setzte ein türkischer Lastwagen-Fahrer durch, dass seine Berufsgruppe künftig ohne Visum nach Deutschland fahren darf.

Das Innenministerium bezeichnet das Urteil als Ausnahmeregelung ausschließlich für Kraftfahrer. „Es geht darin nur um die aktive Dienstleistung“, sagt ein Sprecher der CDU/CSU. „Wer nur Dienstleistungen nutzt, ist davon nicht betroffen.“ Eine Visumsfreiheit für türkische Touristen sei deshalb kein Thema. Einziger Diskussionspunkt sei, ob die Abschaffung der Visumspflicht auf weitere Berufsgruppen aus dem Dienstleistungsbereich übertragen wird.

„Halbwegs intelligente Menschen können so etwas nicht behaupten, wenn sie die Rechtssprechung des EU-Gerichtshofs verfolgen“, sagt hingegen Ünal Zeran. Für ihn ist klar: „Der Gerichtshof hat damit auch alle Türken eingeschlossen, die eine Dienstleistung in Anspruch nehmen, wie es sich aus seiner früheren Rechtssprechung ergibt.“ Aus diesem Grund hat er zusammen mit seiner Mannheimer Berufskollegin Ilknur Baysu eine Petition beim Europaparlament und dem Bundestag eingereicht. Darin fordern sie eine einheitliche Regelung für die Einreise von Türken in die EU. Was für Lastwagenfahrer gilt, soll auch für Touristen möglich sein.

„Ob visumsfreie Einreisen auch für passive Dienstleistungen gelten, ist eine Frage der Auslegung“, sagt Armin Hatje, Jurist an der Uni Hamburg. Für die Argumente der Bundesregierung spreche, dass „das Zusatzprotokoll von 1973 nur für aktive Dienstleistungen gegolten hat“. Allerdings urteilte der Europäische Gerichtshof in den 80er Jahren, dass die visumsfreie Einreise auch für passive Dienstleistungen möglich ist. „Versteht der Gerichtshof seine Entscheidungen rückwirkend, würde dies also auch für das Zusatzprotokoll von 1973 gelten“, sagt Hatje.

Ünal Zeran ist zuversichtlich, dass die Petition erfolgreich sein wird. „Allerdings nur, wenn sie rein juristisch und nicht politisch bewertet wird“, sagt der Rechtsanwalt. Vor der Europa- und der Bundestagswahl erwartet er jedoch keine Lösung.

CHRISTIAN WALTHERT